Kategorie: Plattenspieler

Einzeltest: Electrocompaniet ECG-1


Nordische Kombination

Plattenspieler Electrocompaniet ECG-1 im Test, Bild 1
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Electrocompaniet ist eine dieser Klassiker-Marken, die einen schon fast  sagenumwobenen Status genießen, selbst, wenn man nicht genau weiß,  was sie aktuell so treiben. Nun, sie bauen unter anderem einen Plattenspieler

Meine erste Begegnung mit der norwegischen Marke war eine durchaus  profane, weil auf den schnöden Mammon  reduziert. Es begab sich eines Tages, dass  sich inmitten eines Konvoluts mehr oder  weniger defekter HiFi-Geräte, die ich en  bloc gekauft hatte, eine schlichte schwarze  Vorstufe befand. Vorne gab es wenig mehr  als einen Schriftzug  „Electrocompaniet“  und die Typenbezeichnung  „Preampliwire“ – innendrin hatte sich jemand mit  dem Lötkolben so richtig ausgetobt: So ziemlich jede Leiterbahn war durch ein frei fliegendes  Kabel  ersetzt  worden  –  funktioniert hat das Gerät trotzdem nicht.

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Also  musste es mit ein paar Bildern und einer  knappen Artikelbeschreibung den Weg alles Irdischen gehen – und am Ende stand  da unterm Strich ein hübsches Sümmchen,  mit dem ich für ein defektes und so verbasteltes und wahrscheinlich nicht mal vollständiges Gerät im Leben nicht gerechnet  hatte. Die Neugier war auf jeden Fall geweckt –  ein Blick auf die Firmengeschichte lohnt  sich ja auch.  Electrocompaniet  geht  auf  eine  Begegnung zwischen Dr. Matti Ottala und dem  Produzenten Svein Erik Borja bei einem  Elektronik-Symposium  Anfang  der  70er- Jahre zurück, bei dem es um sogenannte  TIM-Verzerrungen ging – für unsere Protagonisten der Grund, warum Transistorverstärker damals klanglich einfach nicht  da waren, wo sie hätten sein können.  Im Verlauf einiger Jahre hatte man dann  bei Electrocompaniet, die für den praktischen Teil der Entwicklung zuständig  waren, den legendären Zweikanalverstärker entwickelt, der 1976 von einem renommierten US-Audiomagazin zu nichts weniger als dem bestklingenden Verstärker der  Welt ernannt wurde.  Das Grundprinzip, das uns diese Geschichte lehrt, ist über die Jahrzehnte das  gleiche geblieben: Electrocompaniet baut  technisch ausgereifte Geräte, bei denen immer der Klang im Vordergrund steht  –  dementsprechend  lang  können auch die Produktzyklen  sein, bis man das Gefühl hat,  dem Kunden etwas wirklich  Neues bieten zu können. Und aufsehenerregend neu war vorletztes  Jahr auf der High End die Ankündigung,  dass die norwegische HiFi-Legende einen  eigenen Plattenspieler baut – seitdem gingen Bilder des eleganten, im Corporate  Design gehaltenen Prototypen durchs  Netz, bis dann vor kurzer Zeit das Gerät  auf den Markt kam. Das EC steht dabei für  den  Hersteller, „G“  für „Grammophone“  – ganz nett, wird man sich sagen, aber der  ECG-1 bietet tatsächlich auch die Möglichkeit 78er-Vinyl-Schallplatten und Schellacks abzuspielen!  Auf den ersten Blick sieht der ECG-1 recht  „normal“ aus: ein schlichter, wenn auch  hochwertiger „Brettspieler“ mit einer Betonung auf  Acryl bei der Materialwahl  und guter  Ausstattung. Erst bei näherer  Betrachtung lernt man das Changieren  der transparenten  Acryl-Platten je nach  Blickwinkel zu schätzen – zwischen den  beiden Schichten ist eine schwarz eloxierte  Aluminiumplatte montiert, die gegenüber  der oberen und unteren Schicht leicht zurückspringt. Die  Acryl-Elemente sorgen  für eine gute innere Dämpfung der Zarge,  während die Aluplatte für die erforderliche  Steifigkeit zuständig ist. Der ganze Spieler  ruht auf drei geschlossenen Spike-Füßen –  wie viele der Electrocompaniet-Geräte. Durch die dunkle Färbung je einer Fläche pro Acrylplatte kommt auch der schwarze  Gesamteindruck des Spielers zustande. Leider hat man beim Teller auf eine Wiederholung dieses optischen Effekts verzichtet – vielleicht wäre es aber auch zu viel des Guten  geworden. Der Plattenteller ist jedenfalls aus weiß satiniertem Acryl, ein Kontrast zum  Rest des Drehers. Der mit 3 Zentimetern nicht sehr dicke Teller dreht sich um ein  invertiertes Lager. Dabei steht ein recht wuchtiger Edelstahldorn auf der Zarge – das  Gegenstück, eine Bronzelagerbuchse mit eingelassener Stahlkugel ist in den Teller eingepresst. Geschmiert wird das Lager mit einem Spezialfett – wir vermuten aufgrund  der dunkelgrauen Färbung mit ordentlich Grafitbeimischung. Antriebsseitig  gibt  es  einen 24-poligen Synchronmotor, der nicht etwa einfach über die anliegende Netzspannung mit einem 50-Hertz-Signal angesteuert wird. Nein, im ECG-1 wird eine  eigene Versorgung für den Motor generiert, und das sogar zweiphasig. Die Leitungsführung mag dabei etwas verwirrend erscheinen, denn das Netzteil wird zwar direkt  in der separat stehenden Motordose eingesteckt – diese ist aber wiederum über ein  mehrpoliges Netzwerkkabel mit der Elektronik in der Zarge und den entsprechenden  Steuertasten verbunden, mit denen man die drei Geschwindigkeiten oder „Stop“ anwählt. Der durch die Zarge ragende Pulley treibt den Teller über einen Flachriemen an.  Bei der Wahl des Tonarms hat man sich für eine in meinen Augen wirklich gute Variante entschieden: Die Wahl fiel auf den Jelco SA-750 EB, einen nominell zehn Zoll  langen Vertreter klassischer japanischer Tonarmtechnik. Und das ist sicherlich eine  gute Entscheidung – der Tonarm ist unter den heute üblichen OEM-Armen sicherlich  einer der besten, wenn nicht der beste und kostet einzeln schon deutlich über 500 Euro  Endkundenpreis. Der Arm stammt aus der Fertigung eines der renommiertesten und  größten Spezialhersteller, der auf jahrzehntelange Erfahrung zurückblicken kann, für  einige sehr bekannte Hersteller Tonarme baut und wahrscheinlich für fast alle das eine  oder andere Teil zuliefert. Das „E“ im Namen steht für „extended“, also 10 Zoll, das „B“  einfach für Black. Optional kann ein schweres Gegengewicht für massereiche Tonabnehmer geordert werden, außerdem gibt es eine ebenfalls optionale Dämpfungseinrichtung.  Was mir besonders gut gefällt: Als einer der ganz wenigen Arme heutzutage verfügt der  Jelco über einen SME-Bajonettanschluss – bewährte Technik seit Jahrzehnten, die den  blitzschnellen Wechsel von Tonabnehmern erlaubt –, so macht auch das Testen von  Systemen Spaß. Der Arm ist in einem weiten Bereich höhenverstellbar, so dass so gut  wie jeder Tonabnehmer mit oder ohne zusätzliche Tellerauflage benutzt werden kann.  Electrocompaniet bietet den ECG-1 in einem sehr empfehlenswerten Set an, das ein  deutlich besseres Phonokabel und einen Tonabnehmer, beide aus dem Hause Gold  Note, umfasst – und das ist durchaus eine Sache, die man sich mal überlegen kann,  kostet die Kombination doch statt der rechnerisch ermittelten 5.680 Euro nur 5.250 –  eine faire Sache, wie wir finden. Aufgestellt wird der ECG-1 am liebsten auf  einer stabilen und möglichst massereichen  Unterlage. Er ist in sich nicht gefedert und  verfügt auch über keine Dämpfung in den  Füßen, also koppelt man ihn am besten an  ein Steinplatte oder Ähnliches an. Ich selbst  habe für diese Zwecke immer eine simple  Gehwegplatte in Reserve, mit der ich jeden  handelsüblichen Beistelltisch, der in Lage  ist, aus eigener Kraft gerade zu stehen, in  ein adäquates HiFi-Möbel verwandele. Das  sieht zwar nicht gut aus, erfüllt aber seinen  Zweck.  Mit dem Gold-Note-System geht der Electrocompaniet sehr zielstrebig und geradlinig mit dem aufgelegten Material um. Im  Tieftonbereich haben wir vielleicht schon  Kandidaten gehört, die mit noch mehr Autorität noch weiter hinabkommen – diese  haben aber definitiv ein anderes Format  und Gewicht. Absolut auf Augenhöhe mit  den Besten seiner Zunft ist die Qualität  der Basswiedergabe: Impulsiv, trocken und  sehr agil reagiert der norwegische Plattenspieler auf jedes tieffrequente Signal.  Selbst mir als eingefleischtem Klassik- und  Rock-Hörer macht es da Spaß, mal die eine  oder andere Motown-Platte aus den 70er- Jahren aufzulegen. Nachdem wir das mit  der  Lizenz zum Grooven geklärt haben,  können wir uns den seriösen Dingen des  Musikhörens widmen. Der Mitteltonbereich gerät mit dem Gold- Note-System sehr gepflegt. Im Grundtonbereich voll und sonor, zeigt sich in Richtung Präsenzen etwas Zurückhaltung – das  ist in den meisten Fällen äußerst angenehm  und fördert die Langzeittauglichkeit. Da  in vielen Lautsprechern heutzutage eine  gleichartige Senke „eingebaut“ ist, kann es  aber dem einen oder anderen Freund aggressiverer Gangarten in der Musik etwas zu  „schön“ werden – hier wechselt man  eben auf einen Tonabnehmer mit mehr  Biss. Mit neutralen Lautsprechern ist die  Abstimmung aber genau richtig: Klassik  und gut aufgenommene  Akustik-Ensembles klingen unglaublich transparent und  dabei immer straff und organisiert. Nicht  das kleinste Ausschwingen einer Saite oder  eines Korpus geht verloren – alle Informationen werden bis ins letzte Detail aus der  Rille geholt. Diese fast resonanzfreie Wiedergabequalität macht natürlich auch die  räumliche Wiedergabe zu einem Kinderspiel. Musiker werden perfekt einsortiert,  Soloinstrumente und Sänger sauber vom  Hintergrund isoliert und mit der nötigen  Autorität versehen. Den nötigen Schmelz  verleiht ihnen der sehr differenzierte  Hochtonbereich, der gleichzeitig ätherisch  und hoch informativ ist. Eine ausbalancierte  Angelegenheit, das  Ganze – und das auf einem wirklich überzeugenden Niveau, das dem analytischen  Hörer genau so entgegenkommt wie dem  Genussmenschen.

Fazit

Der Aufwand, einen eigenen Plattenspieler zu  konstruieren, hat sich für Electrocompaniet und die Kunden gelohnt:  Der ECG-1 vereint einen ganz eigenen Charakter mit hoher Qualität.

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Kategorie: Plattenspieler

Produkt: Electrocompaniet ECG-1

Preis: um 3650 Euro

4/2016
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Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb Electrocompaniet Europe, Bonn 
Telefon 0228 92394291 
Internet www.electrocompaniet.de 
Garantie (in Jahre) 3 Jahre 
B x H x T (in mm) 465/153/360 
Gewicht (in Kg) ca. 14 kg 
Unterm Strich... Der Aufwand, einen eigenen Plattenspieler zu konstruieren, hat sich für Electrocompaniet und die Kunden gelohnt: Der ECG-1 vereint einen ganz eigenen Charakter mit hoher Qualität. 
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Thomas Schmidt
Autor Thomas Schmidt
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Datum 25.04.2016, 10:03 Uhr
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Es gibt Lautsprecher und dann gibt es noch die LS3/5A. Sie spaltet sowohl ihre Hörer, als auch die, die sie gar nicht kennen. Warum das so ist? Nun, dafür muss man sich vor allem anschauen und natürlich hören, was sie kann und nicht, was sie nicht kann.

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