Einzeltest: Tannoy Precision 6.4

86 Jahre alt ist Tannoy inzwischen – und noch kein bisschen leise! Nach wie vor sind die Schotten weltweit sehr aktiv und beschallen Wohnzimmer, Bürogebäude oder Fußballstadien mit exquisitem Klang. Wir haben das Flaggschiff der Precision-Lautsprecherserie zum Test angefordert.

Nahezu sechs Jahrzehnte zeichnet Tannoys Lautsprecher ein ganz besonderes Merkmal aus: Die Schotten setzen für die Wiedergabe des Mittelhochtonbereichs auf ihren „Dual- Concentric-Treiber“. Bereits im Jahr 1947 wurde dieser Treiber in England vorgestellt und aufgrund seines hervorragenden Klangs schnell zum Standard in britischen Rundfunkstudios. Ende der 50er-Jahre präsentierte Tannoy dann das „Dual-Concentric-Chassis“ in einer Variante für Heimanwender. Seit dieser Zeit entwickeln die Schotten ihre Chassistechnologie stets weiter und präsentieren im Standlautsprecher Precision 6.4 die aktuellste Version dieses Treibers.

Alle Precision-Lautsprechermodelle basieren auf dem neuen 150-mm-Dual-Concentric- Chassis, das allein oder um einen oder mehrere Basstreiber ergänzt eingesetzt wird.

Lautsprecherfamilie 

Mit den Lautsprechern der Precision-Reihe kann schlicht und ergreifend zweikanalig Musik gehört oder auch ein komplettes Heimkino beschallt werden. Der Kompaktlautsprecher Precision 6.1 eignet sich mit seinem 150-mm-Dual-Concentric- Treiber am besten für kleinere Hörräume und für den Einsatz als Rearspeaker im Heimkino. Die beiden Standlautsprecher 6.2 und 6.4 haben deutlich größere Dynamikreserven, so dass Musik mit erheblich höheren Lautstärken genossen werden kann. Der potente Center Precision 6C ergänzt die vorgenannten Modelle zum kraftstrotzenden Mehrkanalsystem. Adäquate Subwoofer hat Tannoy ebenfalls in seinem reichhaltigen Portfolio: Der Anbieter empfiehlt die Modelle TS2.10 oder TS2.12 als ideale Spielpartner.

Ausstattung

Im Standlautsprecher Precision 6.4 sind vier Chassis gleichen Durchmessers auf der Schallwand eingebaut. Ganz oben sitzt das Dual-Concentric-Chassis, das die Hauptverantwortung bei der Reproduktion von Musik übernimmt. Der 150-mm-Treiber überträgt bereits ab etwa 170 Hertz bis weit über die Messgrenze hinaus alle Audiosignale. Unterhalb davon sitzt der Tieftonspezialist, der sich bei seiner Arbeit von zwei optisch identischen Passivmembranen unterstützen lässt. Die Passivmembranen sind anstelle von Bassreflexkanälen eingebaut, die prinzipiell die gleiche Aufgabe übernehmen könnten. Tannoy setzt auf die zwar teure, allerdings auch störungsunanfälligere Passivmembranlösung. Bassreflexöffnungen produzieren vor allem bei gehobenen Lautstärkepegeln sehr häufig Störgeräusche, die durch vorbeiströmende Luft hervorgerufen werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch Passivmembranen keine Mitteltonanteile nach außen dringen, die den Klang verfärben könnten. Alle Konustreiber verfügen über das gleiche Membranmaterial, in diesem Fall handelt es sich um beschichtetes Papier. Dual-Concentricund Basstreiber vertrauen auf 44-mm-Schwingspulen, die von feisten Doppelmagnetsystemen angetrieben werden. Für ein kontrolliertes Ein- und Ausschwingen der 150-mm-Treiber sorgen verlustarme Gummisicken und kräftige Druckgusschassis. Die Passivmembranen verzichten naturgemäß auf einen Antrieb, sind ansonsten aber nahezu identisch aufgebaut. Im Zentrum des Dual-Concentric-Chassis arbeitet ein 25-mm-Hochtöner mit Titanmembran, die bereits bei recht niedrigen 1.600 Hertz ins klangliche Geschehen eingreift. Zur Anpassung des Frequenzgangs dient der vorgesetzte „Tulip- Waveguide“. Durch diese Bauweise kommt der Dual-Concentric-Treiber dem Ideal der Punktschallquelle sehr nahe. Die Phasenlage der Komponenten relativ zueinander ist räumlich konstant, Hoch- und Tieftonschall entstehen nahezu am selben Ort. Beste Voraussetzungen für eine besonders gute räumliche Abbildung. Wer sich das Anschlussterminal der Tannoys ansieht, wird vermutlich aufgrund der ungeraden Zahl der isolierten Drehklemmen überrascht sein. Vier davon dienen, wie üblich, dem Biwiring- bzw. Biampingbetrieb, der fünfte Kontakt ist ein Anschluss für die Masse. Diese Erdungsbuchse wird mit dem Masseanschluss des Verstärkers verbunden, um hochfrequente Störfrequenzen aus dem Musiksignal herauszuhalten. Dem guten Klang zuträglich sind die zahlreichen Aussteifungsmaßnahmen in Inneren des Gehäuses, die Resonanzen minimieren. Klangliches Feintuning ermöglicht der befüllbare Sockel der Tannoy Standlautsprecher. Wer hier trockenen Sand einfüllt, erhöht die Masse des Lautsprechers erheblich, was zumeist mit einem präziseren und ruhigeren Klangbild belohnt wird. Hiermit zu experimentieren ist absolut zu empfehlen. Die Spikes in den Auslegerfüßen lassen sich in der Höhe verstellen; somit können die Precision 6.4 an den Untergrund angepasst und perfekt am Boden „verankert“ werden.

Verarbeitung

Der Standlautsprecher Precision 6.4 von Tannoy ist hervorragend verarbeitet und wirkt aufgrund seiner schlanken Front und der leicht geschwungenen Seitenwände sehr elegant. In der Standardausführung besitzt die 6.4 ein mattes Walnuss-Echtholzfurnier, das gegen Aufpreis von 300 Euro (Paar) mit hochglänzendem Klarlack veredelt werden kann. Alternativ kann der Standlautsprecher in Hochglanzschwarz geordert werden. Die Frontbespannungen werden magnetisch auf der Schallwand in Position gehalten. Wer die Lautsprecher lieber ohne Bespannungen betreiben möchte, blickt auf eine sehr sauber ausgeführte Front ohne sichtbare Verschraubungen. Die Treiber sitzen oberflächenbündig auf der Schallwand hinter silbrig glänzenden Zierringen.

Klang

Breit und tief staffeln die Tannoy Precision 6.4 den Raum, mit exakt platzierten Instrumenten und haarscharf umrissenen Konturen. Die schottischen Lautsprecher klingen druckvoll im Tieftonbereich und betonen minimal mittlere Tonlagen, wodurch sie einen recht forschen Klangcharakter besitzen. Musikalische Informationen liefern die schlanken Standlautsprecher zuhauf, auch die feinsten Klangdetails gelangen mühelos an die Ohren der Zuhörer. Den Tannoy-Entwicklern gelang eine exzellente Klangbalance, die dafür sorgt, dass die Precision 6.4 sehr dynamisch und zugleich unangestrengt und ausgewogen klingt. Hohe Lautstärken meistern diese Lautsprecher spielerisch, ohne Anstalten kurzatmig zu werden oder aus dem Takt zu geraten. Was uns beeindruckt ist, dass die Precision 6.4 alle musikalischen Stilrichtungen gelassen akzeptiert und mit herzergreifendem Drive Musik zelebriert.

Labor

Die Flaggschiffe der Precision-Reihe zeigen sich im Messlabor von ihrer besten Seite. Etwas unruhig ist der Frequenzgang mit einer deutlichen Überhöhung bei 100 Hertz. Das Rundstrahlverhalten ist hervorragend: die 0-, 15- und 30-Grad-Schriebe liegen bis etwa 12.000 Hertz auf nahezu einer Linie. Am ausgewogensten spielt der Lautsprecher unter 15 Grad, weswegen wir empfehlen, die Precision 6.4 nur leicht auf den Hörplatz einzudrehen. Das Wasserfalldiagramm dokumentiert das schnelle Ausschwingen des Lautsprechers. Zu guter Letzt überzeugen die niedrigen Verzerrungswerte voll und ganz.

Fazit

Die schottische Lautsprecherschmiede Tannoy hat mit den Precision 6.4 ganz hervorragend klingende Standlautsprecher mit sehr überzeugendem Preis-Leistungs-Verhältnis geschaffen. Völlig unangestrengt bieten die Lautsprecher ein ungemein lebendiges und zugleich ausgewogenes Klangbild, das sich für alle Musikrichtungen eignet. Ein echter Tannoy eben!