Kategorie: Plattenspieler

Einzeltest: Pro-Ject VT-E


Verdrehte Welt

Plattenspieler Pro-ject VT-E im Test, Bild 1
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Es gab mal eine Zeit, da war das ein echtes Ding: der Senkrechtplattenspieler. Nun hat Pro-Ject das Genre wieder reanimiert und wir wollten wissen, ob so etwas funktionieren kann

Ja, damals. So um 1980 herum. Da steckten die großen japanischen Unterhaltungselektronikkonzerne noch richtig Aufwand in die Entwicklung neuer Ideen rund um die Schallplatte. Bis dann die CD kam und dem Spuk ein relativ gründliches Ende setzte. Und eine der letzten Innovationen war der Senkrechtplattenspieler. Einer, den man an die Wand hängen konnte oder der zumindest deutlich weniger Stellfläche beanspruchte als Geräte herkömmlicher Machart. Es gab ziemlich aufwendige Vertreter der Gattung, ich erinnere mich zum Beispiel an den legendären LT-5V von Mitsubishi, bei dem die Abtastung der Platte ein ziemlich aufwendig gesteuerter Tangentialtonarm übernahm. Tatsächlich hat das damals ganz gut funktioniert und ich find´s ziemlich spannend, dass es etwas zumindest in der Art jetzt wieder zu kaufen gibt.

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Die Variante der Idee vom österreichischen Hersteller Pro-Ject ist zweifellos um einiges simpler gestrickt als zum Beispiel der LT-5V seinerzeit, kostet mit 330 Euro aber auch deutlich weniger als der Japaner damals als Neugerät. Zusätzlich gibt´s noch eine Version des Geräts namens „VT-E Bluetooth“ für 449 Euro – vermutlich ahnen Sie, worin der Unterschied zur Basisvariante besteht. Die Motivation dafür, eine Schallplatte nicht in der Horizontalen zu drehen, besteht nun definitiv nicht darin, den Abspielvorgang zu verbessern. Tatsächlich holt man sich mit dem Ansatz eine ganze Reihe von Schwierigkeiten ins Boot, derer man konstruktiv erst einmal Herr werden muss. Zumal dann, wenn man den Abtastvorgang einem Drehtonarm überlässt. Pro- Ject betrachtet den VT-E als Abrundung des riesigen analogen Produktportfolios, als Gimmick, das sicherlich eine ganze Menge Freunde da draußen finden dürfte.

Der VT-E besteht zunächst einmal aus einer dreieckigen, mit großzügig gerundeten Ecken versehenen Grundplatte, auf der das Tellerlager, der Antrieb und der Tonarm montiert sind. Eine rückseitig montierte Stütze wuchtet die Platte näherungsweise in die Senkrechte, aber nicht ganz: Eine gewisse Schrägstellung bleibt, um die Kippneigung der Angelegenheit zu minimieren. Inwieweit es sinnvoll ist, einen Plattenspieler in dieser Art aufs Mobiliar zu stellen, mag ich nicht diskutieren. Eingängiger scheint mir die Vorgehensweise, das Ding an die Wand zu hängen. Das geht mit dem VT-E, erfordert aber ein paar kleinere Umbaumaßnahmen: Die mit zwei Schrauben befestigte rückwärtige Stütze wird entfernt und gegen einen Metallwinkel ausgetauscht, über den das Gerät an die Wand geschraubt wird. Zwischen Wand und Winkel kommt ein runder Dämpfer, um das Gerät von der Wand zu entkoppeln. Außerdem werden die beiden unteren Standfüße entfernt und ebenfalls durch Metallwinkel ersetzt. Prinzipiell eine gute Lösung, leider guckt der obere Metallwinkel wenig dekorativ unter dem Chassis hervor. Eine unsichtbare Einhängelösung würde mir hier machbar erscheinen.

Zurück zum eigentlichen Gerät: Zarge und Teller des VT-E bestehen beide aus MDF. Da ist nichts falsch dran, das ist das Lieblingsbaumaterial vieler Hersteller auch in höheren Preisklassen, verfügt über gute Dämpfungseigenschaften und ist außerdem erfreulich dimensionsstabil. Teller und Tellerlager unterscheiden sich nicht von dem, was man auch von waagerecht zu betreibenden Plattenspielern kennt, eine relativ dünne Stahlachse unten am Teller steckt in einer Sinterbronzebüchse in der Zarge. Der Teller wird von einem auf dem Außenrand laufenden Rundriemen aus Gummi angetrieben, die Kraft kommt von einem Synchronmotor unten links in der Ecke. Eine Drehzahlumschaltung gibt´s nicht, deshalb muss im Falle eines Falles der Riemen auf dem gestuften Pulley mit der Hand umgelegt werden. Auf dem Teller sorgt eine dünne, harte Filzmatte für den Kontakt zur Schallplatte. Diese muss im Betrieb aus naheliegenden Gründen mit einer Schraubklemme gesichert werden. Die beiliegende Metallklemme ist übrigens ein ziemliches Prachtstück und würde auch anderen Plattenspielern gut zu Gesicht stehen, wenn sie denn ein passendes Gewinde auf der Mittelachse hätten. Jetzt wird´s spannend: der Tonarm. Bedingt durch seine hängende Einbausituation braucht´s ein paar konstruktive Kniffe, um wichtige Abtastparameter wie zum Beispiel die Auflagekraft koordiniert zu gewährleisten. Das geht noch relativ einfach und erfolgt mit einer Feder hinter dem Gegengewicht, die eine entsprechende Kraft generiert.

Das Gewicht selbst (nicht verstellbar) dient nur noch der Definition der effektiven Masse des Tonarms. Nun hat ein senkrecht hängender Arm die Tendenz, genau das zu tun, nämlich senkrecht zu hängen. Irgendwie muss man ihn überreden, mit gewohnter Leichtigkeit der Plattenrille zu folgen, sonst gäbe es massive Abtastverzerrungen. Ich muss gestehen, dass ich nicht ganz genau weiß, wie die Konstrukteure des VT-E das Problem gelöst haben, jedenfalls, haben sie dem Tonarm eine gut passende Vorspannung verpasst, die den Tonabnehmer an jeder Stelle praktisch kräfteneutral in Position hält, aber trotzdem die erforderliche Leichtgängigkeit gewährleistet. Eine Torsionsfeder im Armschaft? Halte ich für möglich. In der Praxis jedenfalls funktioniert das System ziemlich gut. Natürlich kommt der VT-E mit einem vormontierten und eingestellten Abtaster. Dabei handelt es sich um das bekannte Einsteiger-MM OMB 5 von Ortofon. Beim Aufbau des Gerätes und der Inbetriebnahme brauchen Sie übrigens nichts einzustellen – schon deshalb, weil es gar nichts einzustellen gibt, der Tonarm erlaubt es nämlich gar nicht, irgendwelche Parameter zu verändern.

Sollte irgendwann mal ein neuer Tonabnehmer fällig sein, muss dieser allerdings justiert werden, dafür liegt eine entsprechende Schablone bei. Der VT-E verfügt über einen eingebauten Entzerrervorverstärker, sodass er sich an jeden beliebigen Hochpegeleingang Ihres Verstärkers anschließen lässt. Wer möchte, kann das Signal auch unverstärkt direkt abgreifen und einer externen Phonovorstufe verabreichen. Nun ist die Wahrscheinlichkeit, dass der gestandene Highender auf dieses Gerät umsteigen wird, eher gering, das dürfte eher was für Vinyl-Wiederentdecker sein. Entsprechend habe ich den Hörtest angefangen und ein schönes altes Original von „Out of the Blue“ des Electric Light Orchestras aufgelegt. Und ich war erstaunt: Das Handling des VT-E ist nämlich völlig problemlos. Das „Ansteuern“ der einzelnen Titel funktioniert, die Bedienung ist praktisch die gleiche wie bei einem „normalen“ Plattenspieler. In Sachen Sound reißt die Angelegenheit keine Bäume aus, es klingt aber sehr anständig: Jeff Lynne und seine Mannschaft spielen schön im Raum verteilt, haben ordentlich Dynamik. Ganz oben und ganz unten fehlt´s natürlich ein bisschen, aber das kennen wir von dem kleinen Ortofon-Abtaster – geschenkt. Sogar den gemeinen Abtasttest besteht der Pro-Ject ohne Probleme: Kari Bremnes, Svarta Björn, erste Seite, letzter Titel: Wenn die Nadel hier nicht aus der Rille fliegt, dann ist in Sachen Tonabnehmer und Justage viel richtig. Funktioniert hier ohne Probleme. Wie übrigens auch die Bluetooth-Konnektivität: Das entsprechende Modul verfügt neuerdings über einen separaten Netzschalter, sein Neustart ist nämlich erforderlich, wenn es sich mit einem anderen Empfänger verbinden soll. Und so stellt der VT-E eine echte Alternative für solche Leute dar, die einfach endlich mal wieder Platte hören und sich nicht gleich mit Haut und Haaren der Materie verschreiben wollen. Empfehlung!

Fazit

Der Senkrechtplattenspieler lebt! Pro-Jects Neuinterpretation des Themas funktioniert, klingt hochanständig und lässt in der Bluetooth-Version auch „modern“ an den Rest der Welt ankoppeln.

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Kategorie: Plattenspieler

Produkt: Pro-Ject VT-E

Preis: um 330 Euro

9/2019
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Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb Audiotrade, Mülheim 
Telefon 0208 882660 
Internet www.audiotra.de 
Garantie (in Jahre) 2 Jahre 
Abmessungen 43 x 34,5 x 24,5 cm 
Gewicht (in Kg) ca. 2,8 kg 
Unterm Strich ... » Der Senkrechtplattenspieler lebt! Pro-Jects Neuinterpretation des Themas funktioniert, klingt hochanständig und lässt in der Bluetooth-Version auch „modern“ an den Rest der Welt ankoppeln. 
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Autor Holger Barske
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Datum 24.09.2019, 09:58 Uhr
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