Kategorie: Plattenspieler

Einzeltest: Vertere Acoustics SG-1


Eine ganz klare Sache

Plattenspieler Vertere Acoustics SG-1 im Test, Bild 1
20080

Wie bitte? Ein Acryl-Plattenspieler? Das macht heutzutage noch jemand? Aber ja! Aus gutem Grund! Und dieser hier ist zudem ein ganz besonderes Exemplar dieser Spezies

Vermutlich hätte ich mich nicht mit Freuden auf diesen Test eingelassen, wenn ich den Mann hinter dem zur Debatte stehenden Produkt nicht schon sehr lange kennen und nicht ganz genau wissen würde, dass aus dieser Ecke nichts kommt, das nicht in vielerlei Hinsicht neu gedacht und bis ins Detail perfektioniert wäre. Ich rede von Touraj Moghaddam, jenem britischen Daniel Düsentrieb, der die Platten abspielende Welt schon Mitte der Achtziger Jahre mit einem extrem konsequenten und an vielen Stellen revolutionären Laufwerk beglückt hat: dem Roksan Xerxes.

Roksan und Touraj Moghaddam gehen schon lange eigene Wege, seine ehemalige Firma gehört mittlerweile dem britischen Lautsprecherhersteller Monitor Audio.

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Es gibt dort auch noch einen Plattenspieler namens Xerxes, der aber nur noch am Rande mit dem zu tun hat, was Touraj seinerzeit erdacht hatte. Er selbst ist seit über einem Jahrzehnt die treibende Kraft hinter Vertere Acoustics. Selbstverständlich spielen analoge Wiedergabemaschinen auch unter diesem Dach eine zentrale Rolle. Der Mann hat Mechanik im Blut und ist das, was man bei uns Maschinenbauingenieur nennen würde. Seine ersten Pfründe hat er mit der Entwicklung von Windturbinen verdient, seine Leidenschaft jedoch galt immer der Musikwiedergabe. Der Rest ist, wie es so schön heißt, Geschichte: Den ersten Plattenspieler für den Eigengebrauch erdacht und gebaut, Interesse im Umfeld geweckt und schon war die Firmengründung beschlossene Sache. Moghaddam ist ein Mechanik-Nerd allererste Güte, der sehr genaue Vorstellungen davon hat, wie Dinge funktionieren sollten. Vermutlich erzähle ich nicht zum ersten Mal, dass mich eine meiner eindrucksvollsten Dienstreisen vor vielen Jahren nach London führte, wo „TM“ mich mit zu seinem Metallverarbeiter nahm und wir einen sehr langen Abend über alte und nicht ganz so alte Dreh- und Fräsmaschinen redeten und mir die Vorzüge und Nachteile eines jeden einzelnen Klassikers dort dargelegt wurden.

Zeitsprung. Es hat eine Weile gedauert, bis sich ein engagierter Vertrieb für die Produkte von Vertere Acoustics in Deutschland gefunden hatte. Was am ziemlich anspruchsvollen Preisniveau der Produkte lag und daran, dass kein Kandidat den komplexen Gerätschaften so richtig traute. Jetzt hat sich einer getraut. Und zwar Andreas Kaiser, der langjährige Statthalter von Naim in Deutschland. Und deshalb komme ich erst jetzt in die Situation, mich mit einem Plattenspieler wie dem SG-1 nebst Tonarm auseinandersetzen zu dürfen, auch wenn der schon diverse Jährchen international erhältlich ist. Billig ist das Vergnügen nicht: Der SG-1 mit Tonarm und Anschlusskabel kostet bei uns 23000 Euro. Aber es ist ein Vergnügen, soviel schon mal vorweg. Roksan-Kennern fällt vermutlich sofort die dreilagige Basis des Gerätes auf. Tatsächlich fußt der SG-1 – die Abkürzung steht für „Super Groove“ – auf Ideen, die TM seinerzeit unter Roksan-Ägide beim „TMS“ , dem „Touraj Moghaddam Signature“, begonnen hat umzusetzen. Und doch erschöpfen sich die Ähnlichkeiten beider Maschinen in der prinzipiellen Struktur des Laufwerksaufbaus.

TM setzt bei Vertere Acoustics konsequent auf Acryl als Material für seine Laufwerksaufbauten. Dabei spielen optische Aspekte eher eine untergeordnete Rolle, es sind vielmehr die Dämpfungseigenschaften des Materials, seine Langzeitstabilität, Maßhaltig- und Bearbeitbarkeit, die den Ausschlag für diese Wahl gaben. Es darf auch nicht irgendein Acryl sein, sondern nur in Platten gegossenes Material ist ausreichend spannungsfrei, um den Job in einem Vertere-Laufwerk zu erledigen.

Der SG-1 ist das zweitgrößte Laufwerk im Vertere-Programm. Es ist in weiten Teilen mit dem RG-1 „Reference Groove“ identisch. Lediglich Teller und Tellerlager sind anders ausgeführt. Der dreilagige Laufwerksgrundkörper ist bei beiden derselbe und funktioniert so: Die oberste Platte ist das, was TM „Erde“ oder „Masse“ nennt. Womit er die mechanische Entsprechung der elektrischen Größen meint. Das heißt in diesem Falle, dass die obere Platte über die drei fein höhenverstell- und konterbaren Füße fest auf dem Untergrund steht und lediglich minimal über Filzringe vom Boden entkoppelt ist. Diese Ebene bildet also das Fundament, auf dem der ganze Plattenspieler ruht. Wobei „auf“ nicht ganz korrekt ist, weil der nächste „Bauabschnitt“ in Gestalt der untersten Ebene hängend daran montiert ist. Als Aufhängungen fungieren dabei keine Spiral- oder Blattfedern, sondern trickreich aufgebaute Elastomerelemente, in denen jeweils zwei spezielle Gummiringe wirken. Jene sind in der Mitte zusammengeschnürt und genau definiert ausgerichtet, um das gewünschte Schwingungsverhalten zu definieren.

Mit der Einstellung dieser Elemente haben Sie nichts zu tun, das erledigt der Hersteller einmalig ab Werk. Damit qualifiziert sich der SG-1 als waschechter Subchassis-Spieler. Das Subchassis hat relativ viel Bewegungsfreiheit zu allen Seiten, wirkt in der Vertikalen aber relativ stramm. Weiter geht‘s im munteren Entkopplungsreigen: Die nächste und damit mittlere Ebene ist etwas dünner ausgeführt als die beiden anderen und ruht auf der unteren, abermals über Dämpferelemente entkoppelt. Diese vier sind Kompressionselemente, werden also auf Druck belastet. Das war‘s aber noch nicht – es gibt nämlich eine vierte Konstruktionsebene und das ist dann endlich die, auf der Tellerlager und Tonarm montiert sind. Jene ist deutlich kleiner ausgefallen als die anderen drei und ragt durch eine Öffnung in der obersten Ebene hindurch. Sie ist wiederum mit Kompressionsdämpfern von der mittleren Lage entkoppelt, diesmal sind es derer fünf. Diese sind so angeordnet, dass sie eine genau definiertem gleichmäßig verteilte Gewichtsbelastung erfahren. Sie meinen, das ist die komplizierteste Laufwerksentkopplung, die Sie je gesehen haben? Da bin ich bei Ihnen. Zentral in „Platte Nummer vier“ sitzt das Tellerlager. TM arbeitet mit einer langen und dünnen Edelstahlachse, die in einer Buchse aus Phosphorbronze mit hohem Kupferanteil steckt. Die vertikalen Kräfte nimmt eine Siliziumnitrid-Kugel auf, die unten festgesetzt ist und sich nicht mitdreht.

Ein Trick dieses Lagers besteht daran, dass die reibenden Flächen genau definiert sind und die Kugel nicht, wie in vielen anderen Fällen, auf einer Kreisbahn rollen kann. Der geringe Durchmesser des Lagerschaftes sorgt für kleine reibenden Flächen und damit minimale Lagergeräusche, die Baulänge für eine maximale Führung. Sie sehen – hier hat jemand genau nachgedacht, was er da tut. Dem Thema Lageröl misst TM durchaus große Bedeutung bei und hat sich deshalb eine eigene Mischung herstellen lassen, die jedem Gerät in für alle Zeiten ausreichender Menge beiliegt. Der Motor sitzt in maximaler „mechanischer Entfernung“ von dieser Anordnung. Will sagen: Er ist fest mit der obersten Platte verbunden. Es handelt sich um einen Synchronmotor, auf dessen Achse ein ballig geschliffenes Pulley für den Flachriemen steckt, der den Teller an seinem Außenradius antreibt. Eine der Besonderheiten des extrem laufruhigen Motors besteht in seiner Ansteuerung: Die externe elektronische Motorsteuerung erlaubt nicht nur die Feineinstellung der Tellerdrehzahl und deren komfortable Umschaltung, sondern auch einen Abgleich der Phasenlage der den Motor ansteuernden Spannungen. Damit kann man einen Synchronmotor erstaunlich ruhig bekommen, wie der SG-1 eindrucksvoll beweist.

Der Plattenteller ist ein präzises Aluminiumdrehteil mit am Außenrand konzentrierter Masse für maximales Trägheitsmoment. Den Kontakt zur Platte stellt eine fest verklebte drei Millimeter starke Acrylauflage her. TM zieht das mittlerweile seinen früher verwendeten Filzmatten vor, räumt aber ein, dass das Funktionprinzip ähnlich ist: Auch auf der Acrylplatte liegt die Platte nur punktuell auf, so dass sie zum größten Teil in der Luft schwebt. Aufmerksamkeit verdient noch die Tellerachse: Sie ist zweiteilig aufgeführt, die Hülse mit Nenndurchmesser wird nach dem Auflegen der Platte abgezogen, wodurch dünne Achse dann keinen Kontakt mehr mit der Platte hat – genau so soll das sein.

Der Tonarm des SG-1 ist eine Einpunktkonstruktion – zumindest fast. TM missfiel bei klassischen „Unipivots“, dass die Lagerpfanne immer noch eine gewisse Bewegungsfreiheit auf der Lagerspitze genießt, was der Sache bei den winzigen Dimensionen des Abtastprozesses nicht gut tut. Er ersann deshalb eine Anordnung, die an das erinnert, was man vom ebenfalls britischen Hadcock-Tonarm kennt: Die stehende Lagerspitze taucht in den Raum zwischen drei kleinen Keramikkugeln ein, die das Gegenlager bilden. Gewissermaßen also ein „Dreipunktlager“. Das funktioniert bestens und arretiert den Armdrehpunkt unverrückbar – nur leichtgängig dreh- und kippbar ist er noch. Das Rohr des nominell 9,5 Zoll langen Arms besteht aus einer speziellen gewickelter Kohlefaser, einem laut TM extrem resonanzarmen Material. Vorne ist ein Aluminiumteil angebracht, an das das Alu-Headshell angeschraubt wird. Am anderen Ende sorgt ein EdelstahlGegengewicht für den Gewichtsausgleich und den korrekten Azimut. Es ist auf seiner Achse verschieb- und verdrehbar, zwei O-Ringe entkoppeln es von seiner Lagerstange.

Ein gute Idee ist die kleine Kunststoffscheibe, mit der sich die einmal gefundene Position des Gewichtes reproduzieren lässt, wenn man mal mit den Einstellungen „Gespielt“ hat. Die Achse für das Gewicht ist weit unten an der Lagerglocke angebracht, um einen möglichst tiefen Schwerpunkt zu erzielen, das sorgt für Stabilität. Der Armschaft steckt in einer Kunststoffbuchse, das Ganze ist natürlich in der Höhe verstellbar. An der Stelle hätte ich mir etwas Originelleres gewünscht als eine simple Madenschraube, die den Schaft von der Seite klemmt. Noch eine Besonderheit des Arms: Das verschiebbare Zusatzgewicht auf dem Armrohr. Mit ihm lässt sich die dynamische Masse in gewissen Grenzen variieren: Gewicht zum Headshell – der Arm wird schwerer und umgekehrt. Ausgangspunkt bei derartigen Experimente ist in der Regel die mittlere Position. Ich hab‘s zunächst mit dem wunderbaren französischen Sculpture A4 probiert, den großartigen Consolidated Audio-Übertrager angeschlossen und das Ganze mit der MalValve-Phono verbunden. Das passte sofort: ausgesprochen „laid back“, fein ziseliert und vielseitig tönte es aus den Lautsprechern. Wir hören „Trouble Will Find Me“ von The National, eine klasse produzierte Einspielung des Kult-Labels 4AD. Der Sound hat Wärme und Bauch, die Bassdrum Volumen und Wucht, mit schön genauer Zeichnung der Anschlagdynamik. Das ist ein Klang zum drin baden. Analog im besten Sinne, man könnte fast ab und zu mal einnicken, wenn einen nicht immer wieder dieses tolle Schlagzeug aus dem Kuschelmodus reißen würde. Ganz große Klasse, da muss man genau gar nichts dran ändern.

Ich hab‘ mich aber trotzdem getraut, das Lyra Atlas zu montieren – mit dem Verschiebegewicht am vorderen Anschlag. Die Parallelen sind ohrenfällig: Die gleiche feine Grundhaltung, mit leicht anderer Tonalität: Das Atlas tut ganz oben und ganz unten noch mehr. Es wirkt noch zwingender und kräftiger. Es rockt bei der brachialen Gitarrenarbeit von Rodrigo y Gabriela noch etwas eindrücklicher. Der SG-1 ist bei all diesen Betrachtungen als Variable fast zu vernachlässigen. Er lässt den Spielpartnern ihren Raum. Was ganz klar auf sein Konto geht, ist der auffällige Detailreichtum, den er der Wiedergabe einräumt. Er stellt eine vollkommen ruhige Basis dar, die auffällig frei von typischen Plattenwiedergabe-Störkomponenten ist. Von daher gehen Touraj Moghaddams konstruktive Anstrengungen voll auf – so sehr hält sich kaum ein anderer Spitzendreher aus der Musik heraus.

Fazit

Subchassis-Plattenspieler in Perfektion: Der Vertere Acoustics SG-1 bietet einer Vielzahl auch von höchstwertigen Abtastern eine extrem transparente Basis, auf der sie zeigen dürfen, was sie können.

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Produkt: Vertere Acoustics SG-1

Preis: um 23000 Euro

11/2020
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Garantie 2 Jahre 
Vertrieb Beat Audio GmbH, Rosengarten 
Telefon 04105 6750500 
Internet www.beat-audio.de 
unterm Strich... Subchassis-Plattenspieler in Perfektion: Der Vertere Acoustics SG-1 bietet einer Vielzahl auch von höchstwertigen Abtastern eine extrem transparente Basis, auf der sie zeigen dürfen, was sie können. 
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Autor Holger Barske
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Datum 10.11.2020, 09:58 Uhr
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