Kategorie: Verstärker Vorverstärker

Röhrenvorstufe Angstrom ZPR22


Im Auge der Röhre

Verstärker Vorverstärker Angstrom ZPR22 im Test, Bild 1
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Im September 2022 habe ich mit Audio Offensive Vertriebschef Uwe Heile eine Reise nach Norditalien gemacht, die uns vor allem mit den Produkten und den Menschen hinter Angstrom Audiolab bekannt machte. Ein Jahr nach dem spannenden Treffen steht nun ein Angstrom Verstärker vor mir und macht großartig Musik.

Ein Macher


Angstrom Audiolab wurde vor gut 20 Jahren von Roberto Garlaschi ins Leben gerufen. Garlaschi ist ein positiv Verrückter, dessen Kreationen meinen Kollegen Holger Barske und Thomas Schmidt auf Messen immer wieder positiv aufgefallen sind. Das lag vor allem daran, dass Garlaschi keine oder nur wenige Kompromisse zu kennen scheint, denn er baut optisch ungewöhnliche und technisch anspruchsvolle Geräte. Roberto Garlaschi ist in Italien sozusagen weltbekannt, praktisch niemand der sich für historische Röhren- oder Transistorverstärker interessiert, kommt um seine Expertise herum.

Verstärker Vorverstärker Angstrom ZPR22 im Test, Bild 2Verstärker Vorverstärker Angstrom ZPR22 im Test, Bild 3Verstärker Vorverstärker Angstrom ZPR22 im Test, Bild 4Verstärker Vorverstärker Angstrom ZPR22 im Test, Bild 5Verstärker Vorverstärker Angstrom ZPR22 im Test, Bild 6Verstärker Vorverstärker Angstrom ZPR22 im Test, Bild 7Verstärker Vorverstärker Angstrom ZPR22 im Test, Bild 8
Der Mann kennt nicht nur alle Schaltungen, er ist auch in der Lage, praktisch alle dieser Geräte wieder gangfähig zu machen. Aus seiner kindlichen Begeisterung für Elektronik hatte er, bevor er 20 war, als Reparateur für verschiedene HiFi-Geschäfte im Großraum Mailand einen Beruf gemacht. Das und seine elektrotechnische Weiterbildung an der Uni Mailand führte schließlich zu diesem besonderen Konzentrat namens Angstrom Audiolab, benannt nach dem schwedischen Physiker Anders Jonas Angström. Zu Beginn seiner Karriere hat Garlaschi endlose Experimente durchgeführt, um schließlich Röhren als ideale Verstärkungselemente auf dem Weg zu glaubhaft reproduzierter Musik zu verifizieren. Er hat aber keinerlei Berührungsängste mit Transistorschaltungen, im Gegenteil, er setzt sie ein, wo sie Sinn machen oder der Aufwand mit Röhren zu groß für den angestrebten Verkaufspreis wird.   

Neue Wege


2016 kam es zu einer weitreichenden Begegnung. Manuel Finotto, ein Marketingmanager mit Abschlüssen in Informatik und Elektrotechnik – eine bessere Mischung kann es wohl für einen zukünftigen Vertriebsmann nicht geben – lernte Roberto und seine Stella Serie kennen. Zu diesem Zeitpunkt betrieb Finotto privat eine mit großen Markennamen gespickte Anlage. Doch als er die Stella Verstärker hörte, war es um die Edelmarken geschehen, was letztlich auch der Startschuss für einen Karrierewechsel war. Finotto arbeite als Sales- und Marketing-Manager für einen amerikanischen Großkonzern und hatte davon die Nase gestrichen voll. Er sehnte sich nach einem Job, der ihm wirklich am Herzen lag. Und sein technisches Verständnis sagte ihm, dass Roberto Garlaschi außergewöhnliche Geräte baute, sein wirtschaftliches, dass Angstrom Audiolab anders aufgestellt werden könnte, ja sollte und dass das für Roberto alleine nicht möglich war. Also stimmte er sich mit ihm ab, verließ 2017 seinen hochdotierten Job und eröffnete 2018 seinen Showroom in Brescia. Daraus entstand eine feine Vertriebsfirma namens Distretto Audio samt Struktur für die Manufakturarbeit von Angstrom und fünf weiteren edlen italienische Kleinherstellern. Seither wächst Angstrom organisch, denn Manufaktur bleibt Manufaktur, hundert Geräte kann der Mann im Monat niemals herstellen und das ist auch gut so.   

Alles, was geht


Roberto Garlaschi ist es übrigens sogar wichtig zu betonen, dass er zwar eine deutliche Neigung für Röhren hat, dennoch auch Transistor- und Hybridschaltungen einsetzt. Und das macht ja auch Sinn, denn jede Technologie kann, wenn sie gut angewendet wird, hervorragende Ergebnisse produzieren. Mir ist es trotz meiner Röhrenneigung letztlich piepegal, was in den Geräten steckt, es kommt darauf an, wie sie Musik reproduzieren können. Angstrom will sich auch aus allen besser-schlechter und höher-weiter-Diskussionen heraushalten und seine Geräte für sich sprechen lassen. Das tun sie. Ihre Verarbeitungsqualität ist ausgezeichnet, Aluminium, Stahl, Echtholzseitenteile sowie beste Lack- und Farbqualität sprechen dafür. Trotzdem wird einem, wenn man die verschiedenen Angstrom Geräte anschaut klar, dass der Mann ganz tief in die Röhrenwelt hineingeschaut hat und im Auge der Röhre lebt. Es gibt da zum Beispiel eine Phono mit exorbitanten 23 Röhren…   

Einstieg, echt jetzt?


Die Zenith ist der Einstieg in die Angstromwelt, könnte aber auch schon der Ausstieg aus der Suche nach einer rundum kompetenten Röhrenvorstufe sein. Während die Stella- und die Masterpiece-Geräte frei verdrahtet werden, setzt Angstrom in der Zenith Serie Platinen ein. Aber nicht irgendwelche. Sie werden in Italien designed und in China bei einem echten Fachbetrieb produziert. Und zwar ohne den bei ernsthaft klangorientierten Herstellern verpönten Lötstopplack. Das machen sie in Italien selbst, von Hand und auf ihre Weise. Auffällig sind die abgerundeten Ecken der dicken Leiterbahnen. Das mag Ihnen vielleicht schon einmal begegnet sein, allerdings sicher nur da, wo Massenproduktion ganz weit entfernt ist. Der Grund dafür ist ein physikalischer: an den üblichen rechtwinkligen Abzweigungen der Leiterbahnen kann es eine Art Elektronenstau geben, dem man damit begegnen möchte. So will man auch Entladungen von höheren Spannungen zwischen den Lötbahnen entgegen wirken. Die mögen zwar die Ausnahme sein, allerdings haben die Italiener das Ganze hörtechnisch verifiziert. Zudem sehen diese Lötbahnen für meine Augen „schöner“, organischer, richtiger aus. Außerdem sind die Platinen nach ENIG zertifiziert und damit massiv oberflächenveredelt. Dafür werden sie zuerst stromlos vernickelt und dann mit einer dünnen Schicht Immersionsgold überzogen. Das verleiht ihnen eine viel längere Lebensdauer, eine bessere Leitfähigkeit und eine deutlich größere Resistenz gegen Oxidation. Die Bauteileauswahl ist richtig lecker, wo sie Einfluss auf den Klang haben, ganz besonders. Auch wenn einzelne Komponenten aus Fernost kommen, die Bezeichnung „Made in Italy“, besser „Handmade in Italy“ trifft hier wirklich zu.   

Schaltgetriebe


Die Schaltung ist zweistufig: in der ersten wird das Signal um 6 dB angehoben, nach der zweiten landen wir bei 22 dB (symmetrisch) bzw. 15db (unsymmetrisch).

Verstärker Vorverstärker Angstrom ZPR22 im Test, Bild 7
Feinster Aufbau mit penibel kurz gehaltener Verkabelung. Die Eingänge werden sauber per Relais geschaltet
Nicht mehr so häufig gesehen wie in den 80er und 90er Jahren ist die vollsymmetrische, doppelte Kaskadenschaltung mit insgesamt acht ECC 88 Doppeltrioden. Die Ausgangsschaltung ist für geringe Verzerrungen und maximale Antriebskraft mit einer doppelten Pufferstufe ausgestattet und zudem strom- und nicht spannungsverstärkt. Die Gegenkopplung ist minimal und wird nur lokal eingesetzt. Finotto meinte, es sei im Prinzip ein „open loop circuit“, durch den man vor allem die harmonischen Zusammenhänge in der Musik erhalten möchte. Übertrager oder wie im Fall der ZPR22 Vorstufe der Netztrafo werden für Angstrom hergestellt und in Sand und Ökoharz gegossen - Vibrationen adé. Ihre Größe und ihre elektrischen Übersteuerungswerte sind mehr als üppig. Nicht nur die Schaltung, auch das Netzteil ist symmetrisch aufgebaut, was aufwendig und teuer ist, aber für einen hervorragenden Geräuschsspannungsabstand sorgt. Einzig die Röhren sind der limitierende Faktor, denn ihre Qualität muss diesen Voraussetzungen angemessen sein. Ich will nicht sagen, dass man alte Ware einsetzen muss, aber mit einfachem russischem oder chinesischem Stoff ist es hier nicht getan, denn die erhöhen das Rauschen unnötig.   

Einstellungssache


Na dann hören wir doch mal, wie die ZPR22 denn klingt. Zuvor will aber noch eine Besonderheit erwähnt werden: ihre getrennten Gain- und Volumeregler, mit deren Hilfe man den Sweet Spot für das Gesamtsystem einstellen und an unterschiedliche Lautstärken der angeschlossenen Quellen anpassen kann.

Verstärker Vorverstärker Angstrom ZPR22 im Test, Bild 4
Alles, was man braucht: Genügend Anschlüsse für symmetrische wie unsymmetrische Zuspieler und Endstufen plus Groundlift
Gain bestimmt die Gesamtverstärkung, auch in Bezug auf unterschiedlich laute Quellen, Volume verändert am Ende die Gesamtlautstärke. So wie die Schaltung ausgelegt ist, verändert man mit dem Volumeregler auch die Ausgangsimpedanz. Das kann man wollen, muss man aber wissen. Obacht also mit den Einstellungen und bitte keine langen Kabel zur Endstufe legen, sonst bringt man sich um die Hochtonwiedergabe. Das Röhrenrauschen kann man mit den beiden Reglern übrigens auch feintunen – bis man bessere Röhren am Start hat. Einmal optimal eingestellt kann man mit Volumepoti in einem Bereich ab etwa 10 Uhr arbeiten, wo optimaler Gleichlauf zu erwarten ist. Das mag am Anfang nervig oder ungewohnt sein, aber man lernt das System zu schätzen und muss ja auch nicht andauernd am Gainregler drehen - wenn man kein HiFi-Journalist ist. Die Stellfüße sind von einer spannenden Firma namens Ariamateria, die gar nicht zufällig auch von Distretto Audio vertrieben wird. Die Sachen werden mit viel Liebe und Sachverstand aus einem Mix von Natursteinpartikeln (brauner Porphyr oder schwarzer Basalt auf dem Alto-Adige- Gebiet im Trentino) mit einem Anteil von Zweikomponenten-Naturharz hergestellt.   


Hört man´s?


Aber sicher. Klanglich ist die Vorstufe eine Macht: sie spielt mit Autorität und Finesse, je nach angeschlossener Endstufe und zugespielter Musik. Und hier kommt auch der große Vorteil der Gainregelung ins Spiel: erstens kann man damit, wie besprochen, Quellen auf ein sinnvolles Lautstärkeniveau einpegeln und zweitens auch nachgeschaltete Endstufen perfekt mit ihr paaren. Ist das geschehen, in meinem Fall mit meiner Air Tight ATM-4, kann man Musik auf hervorragendem Niveau hören. Einem Niveau, das man nur übertreffen kann, wenn man genau vergleicht und erheblich mehr Geld ausgibt. Ich liebe Bill Evans und fast habe ich den Eindruck Roberto Garlaschi tut das auch. Wie sich die ZPR in den Dienst des melodischen Songs von Evans stellt, ihm die ganze magische Klangbühne darreicht, zieht mich mitten hinein in die immer noch und immer wieder frischen Erfindungen dieses Genies. Und schwupp drängt sich gleich noch so ein Jahrhunderpianist auf: Glenn Gould mit seiner späten Einspielung der Goldberg Variationen. Ein Schelm wer da an „Das Schweigen der Lämmer denkt“. Mich bringt diese Musik immer wieder auf andere, auf besondere Gedanken, aber nur, wenn die Anlage das zulässt. Mit der Angstrom Vorstufe im Zentrum einer Musikwiedergabekette gelingt das exemplarisch gut, den ich kann allen Details folgen, die tief ins Gesamtgeschehen eingebettet sind. Fein geht also, aber geht auch grob? Oh ja und zwar mit den Platten, die mir nach Jahrzehnten endlich Black Sabbath nahe gebracht haben: The End. Dieses dunkle Brett, diese düsteren Akkorde brechen über mich herein, als gäbe es kein Morgen. Ich genieße es und bekomme Gänsehaut und das ist ganz klar durch die Angstrom ZPR22 motiviert. 

Fazit

Auch wenn wir einen gewissen Anteil an Verrücktheit an diesem Gerät lieben, lassen Sie sich nicht täuschen: die Angstrom ZPR22 Röhrenvorstufe ist ein höchst seriöses Gerät mit viel feiner Technik und noch mehr gutem Klang

Kategorie: Verstärker Vorverstärker

Produkt: Angstrom ZPR22

Preis: um 8750 Euro

11/2023

Die Angstrom ZPR22 Röhrenvorstufe ist ein höchst seriöses Gerät mit viel feiner Technik und noch mehr gutem Klang.

Angstrom ZPR22

Ausstattung & technische Daten 
Preis: 8. 750 Euro 
Vertrieb: Audio Offensive / Falkensee 
Telefon: 03322 213 16 55 
Internet: www.audio-offensive.de 
Garantie: 2 Jahre 
Abmessungen (B x H x T in mm) 442/143/448 
Gewicht (in Kg) 20 
Unterm Strich... Auch wenn wir einen gewissen Anteil an Verrücktheit an diesem Gerät lieben, lassen Sie sich nicht täuschen: die Angstrom ZPR22 Röhrenvorstufe ist ein höchst seriöses Gerät mit viel feiner Technik und noch mehr gutem Klang 
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