Kategorie: Verstärker Röhrenverstärker

Einzeltest: Air Tight ATM-300R


Zuhören!

Röhrenverstärker Air Tight ATM-300R im Test, Bild 1
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Aus meiner Sicht hat Air Tight mit ihren fantastischen Produkten nach wie vor nicht den Status, der ihnen zusteht. Vielleicht ändert sich das ja mit diesem Verstärker?

Die Freunde des guten Tons unterteilen sich in viele Gruppen und Grüppchen: Transistor versus Röhre, Eintakt versus Gegentaktschaltung, Class-A-Betrieb versus Class-D – Sie verstehen schon. Viele Röhrenhörer halten die von Western Electric vor mehr als 80 Jahren eingeführte 300B für die Krone der Triodenschöpfung. Begründet wurde ihr heutiger Mythos vor allem vom Triodenrevival der 80er-Jahre, für das der Frankojapaner Jean Hiraga maßgeblich verantwortlich ist. Der weiche Röhrenklang vieler 300B-Verstärker muss als Erholung zum eklig-harten Transistorsound dieser Ära empfunden worden sein. Doch darin steckt bereits eine Falle, denn häufig werden die Möglichkeiten, die sich mit dieser Röhre ergeben, mit einem süßlich-aufgedickten, mittenbetonten Klang verwechselt, der eine falsche Assoziation weckt, die auch ich lange hatte.
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Hat man aber die Gelegenheit dazu, originale Western-Electric-300B-Verstärker zu hören, wird man eine enorme Transparenz, einen festen Bass und überhaupt einen erstaunlich modernen Klang erleben – bei Geräten, die 70 und mehr Jahre alt sind.


Air-Tight-Firmengründer Atsushi Miura hat sich mit seinen 300B-Verstärkern immer schon an diesen Originalen orientiert, denn sie haben so gar nichts vom „falschen“, süßlichen Klang, den ich oben beschrieben habe. Air Tight produzierte seinen ersten ATM-300B 1999, ein Jahr, nachdem sie japanischer Importeur für die damals neu aufgelegten Western-Electric-300B-Trioden geworden waren. Seit damals gibt es kontinuierlich ein solches Modell im Programm, das aktuelle ist die dritte. Inkarnation und mit dem Zusatz „R“ nun ihrer „Reference“-Serie angehörig, was auch den deutlich erhöhten Preis erklären mag. Die größten Unterschiede zu den beiden Vorgängermodellen finden sich in der Treiberstufe, der Gegenkopplungsschleife und den verwendeten Bauteilen. Alle Änderungen zielen auf mehr Bandbreite und größere Universalität – im Rahmen einer 300B eben. Entwickelt wurde er von Y. Hayashiguchi und K. Hamada, zwei jungen Ingenieuren, die Gesamtleitung hatte nach wie vor der 85-jährige Altmeister Miura. Eingangs- und Treiberstufe erledigen zwei Doppeltrioden, wie gehabt sind das eine ECC82 und eine 12BH7. Der Arbeitspunkt der 12BH7 wurde verändert, um die dynamischen Fähigkeiten des Amps weiter zu verbessern. Die ECC82 arbeitet schon seit dem Jubiläumsmodell 2016 in einer Kaskodenschaltung – Stichwort Bandbreite. Bei der Ursprungs-ATM-300B gab es noch eine Besonderheit, die sie für unterschiedliche Lautsprecher und Hörwünsche anpassbar machte. Einen Schalter, mit dessen Hilfe man die Gegenkopplung (Feedback) einstellen kann: entweder ganz weglassen, auf 3 oder 6 db stellen. Darauf haben die Japaner diesmal verzichtet, ihnen ist einfach die maximale Universalität auch dieses Verstärkers wichtig, der natürlich mit seinen maximal 9 Watt nie wirklich universell sein kann. Um das zu erreichen, und da bin ich wieder bei meiner Eingangserklärung bezüglich des eigentlichen 300B-Klangs, haben sie sich wieder im Audio-Mutterschiff Western Electric umgesehen und die Gegenkopplungsschleife vom WE-91 300B-Verstärker übernommen. Die wurde dort von der Primärwicklung, nicht wie später üblich von der Sekundärwicklung abgenommen. Gerade die Offenheit des Klangs und die erweiterte Bühne sollen davon profitieren. Air Tight führt ja im Haus mit B&W 801s3 Matrix vor, woran der ATM-300R sehr überzeugend spielen soll. Ob ein Kunde diese Kombination allerdings jemals wählen wird, halte ich für fraglich. Grundsätzlich lässt sich schon sagen, dass sich je nach Stärke der Gegenkopplung auch der Dämpfungsfaktor ändert und daher die Auswahl an Lautsprechern dadurch vergrößert. Die Japaner haben sich nicht leichtfertig von ihrem Feedbackschalter getrennt, fanden aber, dass die Anpassung an die verschiedenen Modi letztlich suboptimal war, und entschieden sich für ein Statement als Hersteller.


Das Statement bedeutet satte 10 dB Gegenkopplung, die für einen manchmal schon sehr strammen, aber immer noch „schönen“ Klang sorgen, der puristische Triodenfreaks zum Nachdenken bringen wird, denn das Röhren-Reinheitsgebot besagt, dass direkt geheizte Trioden wie die 300B gegenkopplungsfrei arbeiten sollen. Hier arbeiten sie jedenfalls im Auto-Bias, mit dem die teuren Röhren geschützt werden sollen. Apropos teuer und Röhren. Die Normalbestückung mit Electro-Harmonix-Röhren taugt zur generellen Wiedergabe und man kann die Stärken des Amps schon auch nachvollziehen. Aber es macht keinen echten Sinn, so weiter zu hören, das wäre wie mit einem Porsche auf schmalen Notreifen zu fahren. Ich habe vom Vertrieb die grandiosen Takatsuki-300Bs (2.600 Euro) bekommen, die mitmilfe von Atsushi Miura ganz nahe am Vorbild originaler WE-Röhren produziert wurden. Air-Tight-Geschäftsführer Jack Miura muss aus RoHs-Gründen aktuell produzierte Röhren einsetzen, hat aber zugegeben, dass gute alte Ware den Klang verbessert – und wie! Ich habe 12BH7 von RCA, ECC82 (5814A) von Siemens und eine 5U4GB von General Electric eingesetzt und damit kann’s dann losgehen. Tamura ist wie gewohnt für die neuen Ausgangsübertrager verantwortlich, Netztrafo und Drossel sind mit in Öl getränktem Papier umwickelt. Jack Miura hat mir eine wissenschaftliche Studie zukommen lassen, die zeigt wie sich dadurch unter anderem der Geräuschspannungsabstand verbessert. Und ja, der Amp arbeitet sehr, sehr leise. Beide werden von einem japanischen Meister von Hand gewickelt, was laut Miura für eine höhere spezifische Dichte sorgt und aus seiner Sicht den Klang „reiner und geschmeidiger“ im Vergleich zu den Vorgängern werden lässt. Die habe ich zum Vergleich nicht da, kann seine Worte absolut betrachtet aber nachvollziehen, denn Pat Metheny ergießt sich in einer Geschmeidigkeit in meinen Raum, die mir fast das Wasser in die Augen treibt. Am Ende von „The Sound of Silence“ überrascht mich ein bislang ungehörter Nachschwinger. Und die Flageolett- und Grifftöne, das kurze Anspielen der Nylonsaiten bei „Cherish“, funkeln und glänzen, es schwingt und perlt und dabei steht die Musik felsenfest im Raum. Nie hatte ich in meinem 28-qm-Raum mit meiner LS3/5a die geringsten Dynamikprobleme und zwar auch bei deutlich gehobenen Lautstärken. Die Asiaten wissen schon, warum sie die Kombination 300B und LS3/5a so lieben. Jegliche Kompressionseffekte bleiben aus, Läufe über Trommeln und Felle kommen so realistisch, dass ich mich wie am Mischpult fühle. Isobel Campbell und Mark Lanegan singen nicht nur nebenund miteinander, ihre Stimmen fließen organisch ineinander. Michael Franks’„The Lady Wants to Know“ wird zum edlen Genuss, es klingt so fluffig wie ein g´scheites Tiramisu. Auf Jacky McLeans „Hipnosis“ packt mich der echte Blue-Note-Sound, Billy Higgins’ Snareshots knallen gnadenlos in den Raum: Bamm! Erdig, natürlich, griffig und agil, dabei offen, upfront und farbig in den Mitten, ohne je zu fett zu sein, klingt das. Sonny Clarks Pianosolo könnte ich immer und immer wieder hören. Roisin Murphy schenkt mir ein Hauskonzert mit lasziven Elektrobeats und ihrer Stimme, die mich immer an die Sängerin denken lässt, die Madonna gerne geworden wäre: großartig. Mit manchen Komponenten ist es so, dass ich immer wieder Testplatten auflege, um herauszufinden, was denn besonders daran sei. Die ATM300R gehört zu einer anderen Gattung. Mit ihr will ich einfach nur Musik hören und neu entdecken.

Fazit

Das ist der 300B-Verstärker fürs 21. Jahrhundert, straff, schön und im Verbund mit den besseren Röhren so universell, wie es wahrscheinlich kein 300B-Amp je zuvor gewesen ist. Und jetzt bitte zuhören: Was Accuphase für Transistorelektronik ist, ist Air Tight für die Röhrentechnik: ganz weit oben.

Kategorie: Verstärker Röhrenverstärker

Produkt: Air Tight ATM-300R

Preis: um 14500 Euro

11/2019
Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb Axiss Europe, Hofheim am Taunus 
Telefon 0234 3254190 
Internet www.axiss-europe.de 
Leistung: 2 x 9 Watt (THD <10%) 
Röhrenbestückung: ECC 82 / 12BH7 / 300B / 5U4GB 
Eingänge: 1 x Cinch (Lautstärke kanalgetrennt regelbar) 
Ausgänge: 4 / 8 / 16 Ohm (2 Ausgänge bei Bestellung konfigurierbar) 
Eingangsempfindlichkeit: 290 mV 
Geräuschspannungsabstand: >101 dB (Line 1) 
Frequenzgang: 30 Hz – 40 kHz (-1 dB / 1 Watt) 
B x H x T (in mm) 430/275/245 
Gewicht (in kg) 24.5 
Garantie 2 Jahre (Röhren 6 Monate) 
Unterm Strich... Das ist der 300B-Verstärker fürs 21. Jahrhundert, straff, schön und im Verbund mit den besseren Röhren so universell, wie es wahrscheinlich kein 300B-Amp je zuvor gewesen ist. Und jetzt bitte zuhören: Was Accuphase für Transistorelektronik ist, ist Air Tight für die Röhrentechnik: ganz weit oben. 
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Autor Christian Bayer
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Datum 11.11.2019, 09:58 Uhr
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Mit diesen Chassis wollte ich schon immer mal etwas bauen. Dass ich sie allerdings jemals zusammen in einer Box haben würde, hätte ich dann doch wieder nicht erwartet – dass das Ganze so gut werden würde, dann schon eher.

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