Kategorie: Plattenspieler

Einzeltest: Technics SL-1200GAE


Endlich fuffzich

Plattenspieler Technics SL-1200GAE im Test, Bild 1
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Das ist es jetzt also. Das dicke Ding. Der große  Coup. Die größte Sensation seit der Neuerfindung  des Mediums Schallplatte. Ihr wurdet erhört:  Der einzig wahre Dreher ist wieder da

Das  ist  natürlich  alles  Quatsch.  Betrachten wir mal ganz nüchtern die  Faktenlage: Die Panasonic Corporation in  Japan, Eigentümer des Labels  „Technics“  hat vor rund sechs Jahren beschlossen, dass  das Plattenspielergeschäft kein lohnendes  mehr ist. Zwar gab es immer noch ein paar  DJs auf der Welt, die partout nicht auf den  legendären Technics SL-1200 verzichten  wollten,  aber  die  waren  kein  Grund,  mit  der Fertigung eines solchen Gerätes im industriellen Maßstab weiterzumachen. Zumal sich die Unterhaltungselektronik als  Ganzes in einem tiefgreifenden Wandel befand und immer noch befindet, und da war  kein Platz für ein solches Nischenprodukt.  Mittlerweile aber hat ein Umdenken stattgefunden.

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Panasonic geht’s nicht so besonders gut, das ruinöse Fernsehergeschäft  setzt dem Konzern – genauso wie jedem  anderen der großen alten Japaner – schwer  zu. Und was macht man in solchen Zeiten?  Nach Strohhalmen greifen. Technics ist für  Panasonic ein solcher. Ein groß angelegter  Neustart der Marke wurde initiiert, zwei  Produktlinien mit modernen Digitalzuspielern,  Verstärkern und Lautsprechern  wurden aufgelegt. Der nach einem Plattenspieler dürstenden  Analoggemeinde  wurde eine recht rigorose  Absage erteilt.  Doch  nichts  ist  so  obsolet  wie  die Aussagen von gestern, denn jetzt ist er da, der  „neue“ Technics-Plattenspieler. Er heißt  SL-1200GAE und erscheint anlässlich des  fünfzigsten Jubiläums der Marke Technics  im vergangenen Jahr. Gemäß seiner Typenbezeichnung werden genau 1200 Stück gefertigt, alle tragen ein goldenes Schild mit  der Seriennummer „000“. Später in diesem  Jahr wird’s dann ein „richtiges“ Seriengerät  (SL-1200G) geben, das aber technisch mit  dem Jubilar identisch sein soll. So weit die  guten Nachrichten. Die  schlechte  lautet:  Der „GAE“  wird  bei  uns zu einem Verkaufspreis von 3.500 Euro  angeboten. Das ist ein Mehrfaches dessen,  was NOS-1200er bis vor Kurzem im Fachhandel  noch  gekostet  haben.  Die  haben  mittlerweile natürlich Lunte gerochen und  haben preismäßig nachgezogen – ist doch  klar. Den Jubilar einfach als hochpreisige Kopie des in diversen Varianten ab 1972 gefertigten Klassikers abzustempeln, hieße  jedoch,  seine  Hausaufgaben  so  gar  nicht  gemacht zu haben. Denn der GAE hat mit  dem klassischen 1200er nicht viel mehr gemeinsam als den optischen Anschein. Jedes  Teil des Plattenspielers ist eine komplette  Neukonstruktion. Das hört sich zwar beeindruckend an, hat aber nicht nur dem  technischen Fortschritt geschuldete Gründe: Es gab schlicht keine Werkzeuge mehr,  um den 1200er einfach wieder aufzulegen.  Man war praktisch gezwungen, wieder  ganz von vorn anzufangen. Die erste Überraschung gibt‘s beim Hochheben. Der GAE bringt imposante 18 Kilogramm auf die Waage. Die Gründe dafür  sind zahlreich, einer ist definitiv  die  aus  einem ziemlich dicken  Aluminiumblock  gefräste Topplatte.  Auch der Plattenteller  ist kein Kind von Traurigkeit: 3,5 Kilogramm hören sich gegenüber den Vollmetallzylindern, die heutige highendige Riementriebler auf die Lagerkugel gewuchtet  bekommen,  vielleicht  nicht  nach  besonders viel an, aber das hier ist ein direkt  angetriebener Plattenspieler. Einer, der für  seine extrem kurzen Hochlaufzeiten bekannt (und deshalb in Rundfunkstudios sehr  beliebt)  war.  Da  sind  hohe  bewegte  Massen eher hinderlich; der GAE schafft‘s  aber trotzdem in 0,7 Sekunden auf Nenndrehzahl.  Das  ist  nicht  rekordverdächtig,  in Anbetracht der zu bewegenden Massen  aber höchst respektabel. Der Teller ist übrigens kein so schlichter Geselle: Die dreilagige Sandwich-Konstruktion trägt zuoberst eine Messingplatte, den Kern bildet  ein Aludruckgussteil, von unten wird mit  einer schweren Gummilage bedämpft. Da  eine kraftschlüssige  Verbindung einfach  über die Reibung bei diesem Trägheitsmoment und dem kräftigen Motor nicht funktionieren würde, sind Teller und Motor  dreifach miteinander über Stehbolzen verschraubt – wie Räder am Auto. Einen Blick  ins Innere des Gerätes zu erhaschen, ist eine schweißtreibende Angelegenheit: Der Boden ist zweischalig ausgeführt, eine Metall-  und  eine  zähelastische  Hartgummiwanne  sind separat voneinander mit dem Chassis  verbunden, eine Unzahl von Schrauben  will gelöst werden. Darunter gibt‘s reichlich Elektronik modernster Provenienz zu  sehen. Das schlicht als „Motorsteuerung“  zu  titulieren,  ist  zwar  korrekt,  beschreibt  die  Komplexität  des  in  allen  Parametern  konfigurierbaren  Steuercomputers  aber  nur unzureichend.  Auf der Oberseite, unter dem Plattenteller, gibt‘s allen Ernstes  eine USB-Buchse, über die man sich den  Tiefen der motorsteuernden Software nähern  kann. Wer  weiß? Vielleicht  gibt‘s  ja  bald  regelmäßige  Betriebssystem-Updates  für Plattenspieler? Der Antrieb ist der heilige Gral eines jeden  Direktläufers, da macht der Technics keine Ausnahme. Er ist der Grund dafür, dass  Reibrad- und Riementrieblern vor dem  Durchbruch der CD das langsame  Aus  drohte. Zu verlockend waren die Vorteile  des direkt an der Tellerachse angreifenden  langsam drehenden drehmomentstarken  Antriebs, um ihm nicht eine goldene Zukunft im Herzen des Plattenspielers vorauszusagen. Jene blieb aus, aber für die  Clubszene reicht‘s bis zum heutigen Tag:  Praktisch  alle  (noch)  im  Einsatz  befindlichen Dreher in dieser Szene bedienen sich  direkt antreibender Motoren. Scratchen  mit einem Riemenantrieb? Scheint keine  so gute Idee zu sein. Der Technics galt und gilt als der beste DJ- Plattenspieler. Im Ursprung war er zwar gar nicht als solcher gedacht, wurde ob  seiner Unverwüstlichkeit aber schnell dort  heimisch. Der  Antrieb gilt als stabil und  langlebig, die Entkopplung des Technics  von seiner Umwelt ist so gut, dass er auch  unter suboptimalen Bedingungen und  Aufstellmöglichkeiten  besten  Sound  bie- tet. Der Motor des GAE ist eine komplette  Neukonstruktion der beeindruckenden  Art: Über zehn flächig auf großem Durchmesser verteilten Statorspulen rotiert ein  eisenloser Doppelrotor; wie das in der Praxis aussieht, habe ich mich dann doch nicht  getraut zu ergründen. Massig Drehmoment und absolute Laufruhe sind auf alle  Fälle Kennzeichen der Konstruktion. Dem  Vernehmen nach kann man Beschleunigungs- und Bremszeiten des Motors über  die Steuerung noch drehen; diesbezügliche  Nöte verspürte ich allerdings nicht. Der Tonarm des GAE sieht ebenfalls nur  auf den ersten Blick aus wie der alte Technics-Arm. Tatsächlich verfügt er mittlerweile über ein modernes Magnesiumrohr,  eine neue Lagerkonstruktion mit korrekt Tonarmlift und eine  Höhenverstellung, die einen Bereich von  sechs Millimetern abdeckt. Zum Lieferumfang gehören drei verschiedene hinten  auf den  Armstutzen aufschraubbare Gegengewichte, mit denen so ziemlich jeder  Abtaster weit und breit passend betrieben  werden  kann.  Das  Headshell  hält  sich  an  den gängigen SME-Standard. Hier, ganz  besonders bei den brettharten, zum Glück  beidseitig steckbaren Tonabnehmeranschlusskabeln darf der HiFi-Anwender  gerne auch über ein Upgrade nachdenken. Geometrisch ging Technics mit dem Arm  keinerlei Risiko ein; die Langlochmontage  ermöglich es, den Wunschtonabnehmer so  einzubauen, dass er mit gängigen geometrischen Vorstellungen  harmoniert.  Wer  den Technics als unvorbelasteter Mensch  bedienen will, der sucht zunächst den Einschalter. Der steckt links im Strobskopgehäuse in Form eines flachen Drehschalters.  Beim  Antippen des Start-/Stopp-Tasters  geht die wilde Fahrt des Antriebs los.  Als  jemand, der bei klassischen High-End-Plattenspielerschwergewichten zu Hause  ist, steht man fassungslos vor den Beschleunigungs- und Bremszeiten, derer  der Technics fähig ist. Ein Druck auf den  Lock-Taster neben dem Pitch-Schiebepoti,  und man hat mit Geschwindigkeitsfeineinstellung nichts mehr zu tun – alles unverrückbar quarzverriegelt. Die Drehzahlwahl erlauben zwei Taster links; wer beide  gleichzeitig betätigt, kommt in den Genuss  von 78 Umdrehungen pro Minute. Man  kann den Blick kaum vom Stroboskop lassen und sich kindlich darüber freuen, wie  zackig die jeweilige Markierung nach Ein-  oder Drehzahlumschaltung wieder bewegungslos dasteht. So. Genug gespielt. Zeit, dem Technics mal  ob seiner akustischen Qualitäten auf den  Zahn zu fühlen. In die Anlage integrieren  lässt er eich übrigens leicht, die vier entkoppelnden Füße sind in der Höhe verstellbar, so dass der Unterbau mal nicht  genau eben sein muss. Und was schraubt man da jetzt für einen  Tonabnehmer rein? Immerhin ist das ein  Plattenspieler für 3.500 Euro, da darf man  ja vielleicht gerne auch mal in die Schublade mit den etwas besseren MCs greifen.  Ich hab‘s mit einem Lyra Kleos versucht,  Etna und Atlas waren mir dann doch etwas zu wenig praxisgerecht. Und das Kleos  funktioniert ausgesprochen gut; es tönt  agil und mitreißend, in Sachen Grob- wie  Feindynamik ist‘s echt ein Hammer. Ganz  leise melden sich  Vorbehalte, ob der Japaner nicht gar ein bisschen übertreibt;  seine überschäumende Spiellaune wirkt  in dieser Kombination ein wenig übermotiviert. Gut für Rockmusik und Live-Jazz,  bei getragener Kost jedoch hätte ich‘s gern  eine Spur gediegener. Lässt sich machen,  dafür braucht‘s lediglich einen etwas getragener agierenden Abtaster. Mein nächster Versuch hätte definitiv einem Denon  DL-103 gegolten, ich hab aber gerade  keins. Das ist oben heraus ein wenig – sagen wir mal: freundlicher, und das kann  man hier bestimmt gut gebrauchen.  Also  versuchen wir ein MM. Das „blaue Wunder“ in Gestalkt des Audio-Technica AT5V  erwies sich wieder einmal als  Volltreffer;  jetzt  stimmt  die  Balance,  auch  meine  mit  dem Lyra aufgekommenen leisen Zweifel  ob der Tiefbasstauglichkeit der Maschine  haben sich deutlich reduziert. Gewiss, der  Fokus der Energie liegt beim GAE etwas  weiter oben im Spektrum als gewöhnlich,  aber von Anämie in den tiefen Registern  kann hier keine Rede sein. Stimmen haben  Ausdruck und Kraft, ganz oben geht‘s kräftig, aber seidig ans Werk, Räume werden  glaubhaft mit einer kleinen Vorliebe für die  Breite dargestellt. Mit gefällt‘s – das ist ein  toller Plattenspieler. Nur leider befürchte  ich, dass die wenigsten davon jemals wirklich Musik machen werden, geschweige  denn in Clubs zum Einsatz kommen – da- für sind sie wohl schlicht zu teuer. Und mit  Sicherheit ein begehrtes Spekulationsobjekt, das ganz schnell originalverpackt  für  Jahre in Lagern verschwinden wird. Bedarf  scheint gegeben zu sein: Die 300  für den  japanischen Markt bestimmten Exemplare  waren in weniger als einer Stunde nach  Verkaufsstart ausverkauft.

Fazit

Der Technics funktioniert auch in seiner edlen Jubiläumsedition ausgezeichnet. Er klingt  etwas anders, als man das gemeinhin gewohnt  ist, nämlich kerniger, hitziger, drahtiger. Mit dem richtigen Abtaster  kombiniert, ist das eine ausgesprochen potente Angelegenheit.

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Kategorie: Plattenspieler

Produkt: Technics SL-1200GAE

Preis: um 3500 Euro

11/2016

Der Technics funktioniert auch in seiner edlen Jubiläumsedition ausgezeichnet.

Technics SL-1200GAE

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Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb Technics, Hamburg 
Telefon 069 22221313 
Internet www.technics.com 
Garantie (in Jahre) 2 Jahre 
B x H x T (in mm) 455/175/355 
Gewicht (in Kg) ca. 18 kg 
Unterm Strich... Der Technics funktioniert auch in seiner edlen Jubiläumsedition ausgezeichnet. Er klingt etwas anders, als man das gemeinhin gewohnt ist, nämlich kerniger, hitziger, drahtiger. Mit dem richtigen Abtaster kombiniert, ist das eine ausgesprochen potente Angelegenheit. 
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Autor Holger Barske
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Datum 09.11.2016, 10:03 Uhr
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