Kategorie: Lautsprecher Stereo

Einzeltest: Russell K RED 50


Ein anderer Weg zur Freude am Hören

Lautsprecher Stereo Russell K RED 50 im Test, Bild 1
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Es gibt einfach nur Lautsprecherhersteller und es gibt Menschen wie Russell Kaufmann, die Lautsprecher herstellen. Kaufmann macht die Dinge anders und das macht ihn sympathisch. Aber macht er auch gute Lautsprecher?

Atahualpa Yupanqui, der wahrscheinlich größte Folkmusiker Südamerikas, singt und spielt im übernächsten Raum. Ich will ihn nicht stören, aber ich kann seiner Erzählung und seinem Spiel auch mit etwas Abstand extrem gut folgen. Es wirkt, als wäre er da und nähme mich mit auf seine Reisen. Als ich schließlich den Raum, in dem er für mich zu singen und zu spielen scheint, betrete und auf die Couch setze, bricht diese intime Verbindung für einen kurzen Moment ab. Doch sie stellt sich schnell wieder ein, als ich die Lautsprecher optimal, das bedeutet etwa 5 Grad auf meinen Hörplatz einwinkle. Meine Augen scheinen sich automatisch zu schließen und ich folge der mir fremden Sprache Yupanquis wieder und habe für Momente den Eindruck, die RED 50 könnten sie mich verstehen lehren.
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Wie kommt das? Ist es das vermeintlich „Einfache“ an diesem Lautsprecher?


Haben Sie schon einmal versucht, Dinge auf das wirklich Nötige, Sinnvolle zu reduzieren, egal in welchem Bereich? Dann ist Ihnen bewusst, dass einfach keineswegs primitiv bedeutet, sondern eine Form der Verfeinerung meint, die nicht mal eben schnell realisiert werden kann. Doch wie dann? Mit Forschergeist, Geduld und viel Erfahrung, wovon Russell Kaufmann im Überfluss zu haben scheint. Kaufmann ist kein klassischer Ingenieur, was ihm hilft, auf ungewöhnliche Lösungen zu kommen. Aber er ist auch kein Laie, sondern eben ein besonderer Entwickler mit viel, viel Erfahrung. Bevor ich zu dem Mann selbst komme, will ich die nackten Fakten aufzählen. Die RED 50 ist ein kompakter 2-Wege- „Monitor“ mit einem knapp 13 cm großen Tiefmitteltöner und einer 25-mm-Kalotte in einem konventionellen MDF-Gehäuse mit einer 12-db-Weiche. Echt jetzt? Gibt es etwas Langweiligeres? Oder liegt gerade in der Popularität dieses Typs eine Chance? Diese oder ähnliche Gedanken muss Kaufmann gehabt haben, als ihn sein polnischer Mitarbeiter praktisch dazu nötigte, so einen Lautsprecher zu bauen. Aber nicht irgendeinen, er sollte eine neue Linn Kan bauen. Der Kollege gehörte nämlich zur Linn-„Familie“ und trauerte dem kleinen Klassiker, seinerseits eine Art modernisierte LS3/5a, arg nach. Russell ließ sich breitschlagen, allerdings nur unter einer Voraussetzung: Es würde keine Kopie, sondern ein echter Russell-K.-Lautsprecher werden. Ich kann Ihnen verraten, dass ihm das gelungen ist. Doch was ist das, „ein echter Russell-K.-Lautsprecher“?


Und wer ist dieser Russell Kaufmann überhaupt? Der sympathische Engländer modifizierte in seinen Teenagerjahren quasi aus dem Bauch heraus Lautsprecher und gründete sogar eine kleine Firma, die durchaus Erfolg hatte. Doch sein kleiner Erfolg basierte nur auf „Trial and Error“ und so kam er nicht weiter. Also beschloss er, sich tiefer mit der Materie Lautsprecher zu beschäftigen, wurde unter anderem Außendienstmitarbeiter für Wharfedale und arbeitete in unterschiedlichen Positionen für B&W. Nebenbei organisierte er sogenannte Listening Panels für die Zeitschrift „HiFi Choice“, um sein Erfahrungsspektrum zu erweitern. Später wechselte er zum Chassishersteller Morel, wo er sich das Gros seiner technischen Kenntnisse aneignete und zum Experten in der Beurteilung „nackter“ Chassis wurde. „Quick und dirty“ auf den Tisch gestellt und angeschlossen, kann er sofort hören, ob das Chassis für seine Zwecke geeignet ist. Nun muss er „nur noch“ das passende Umfeld in Form eines Gehäuses und einer Weiche kreieren, um so einem Chassis quasi zu seinem musikalischen Recht zu verhelfen. Neben den nötigen Messungen vertraut er dabei vor allem seinen Ohren, was schon die Richtung anzeigt, in der seine Lautsprecher gehen: nix für Erbsenzähler, sondern für leidenschaftliche Musikhörer. Das hört man auch sofort, wenn man Platten wie „Sticky Fingers“ von den Rolling Stones auflegt und unwiderstehlich in die Musik hineingezogen wird. Doch schauen wir einmal etwas genauer hin. Die Chassis sind ordentliche Industrieware.


Der Tiefmitteltöner hat eine behandelte Papiermembran und wird, wie die klassische 25mm-Gewebekalotte, von einem kräftigen Ferritmagneten angetrieben. Beiden wurde ein Kupferring spendiert, der Verzerrungen minimieren soll. Die 12-Dezibel-Weiche kommt mit wenigen Bauteilen aus, wobei nur je ein Kondensator für den Hochton und eine Spule für den Bass im Signalweg der Treiber liegt. Zur Lautstärkeanpassung des Hochtöners setzt Russell ein rechnerisch bewusst fehlangepasstes Zobelnetzwerk ein, das im Vergleich zu Widerstandsnetzwerken das Timing nicht stören soll und für angeschlossene Verstärker eine leichtere Last darstelle. Stimmt, mit zehn guten Röhrenwatt geht das bereits hervorragend. Aber wieso „fehlangepasst“? Russell ist auf diese Möglichkeit durch eine Panne in einem Messprogramm gekommen. Dadurch entdeckte er eine Möglichkeit, ein echtes phasengleiches Arbeiten aller Treiber zu realisieren und so das Timing zu perfektionieren. Der Mann hat sowieso seine eigene Philosophie bezüglich der Phasenthematik. Eine verbreitete Lehrbuchmeinung besagt, dass bei 12-Dezibel-Weichen der Hochtöner phasenverkehrt angeschlossen werden soll. Das mag er nicht, er findet, es klänge dann mehr nach HiFi, und man würde den Bezug zur Musik verlieren. Während er die Weiche abstimmt, verkabelt er den Hochtöner erst einmal phasenverkehrt, passt dann die Werte solange an, bis alle Auslöschungen in der Weiche verschwunden sind. Dann wird der Hochtöner wieder umgelötet und nun, so Russell, bekomme man eine perfekte Integration der Treiber, die sich quasi wie Breitbänder verhielten.


Das kann ich nachvollziehen, wenn ich die RED 50 wie eingangs beschrieben, liebevoll einwinkle – zwischen fünf und sieben Grad je nach Raum sollten es sein. Dann verschwindet eine minimal raue Charakteristik im Hochton, die ich bei dieser Aufstellung nur noch als lebendig wahrnehme. Der Hochtöner ist, das gibt Russell unumwunden zu, nicht der geschmeidigste, hat aber die Start-Stopp-Qualitäten, die er in einem Chassis sucht. Und genauso klingt es dann auch: ungebremst, spritzig. Kennen Sie Jackie Mittoos Version der James-Bond-Erkennungsmelodie? Hören Sie sich das einmal mit einem Russell-KLautsprecher an und Sie werden mich verstehen: Diesen herrlich schepprigen Groove einzufangen, gelingt einem perfekten High-End-Lautsprecher nie im Leben. Es ist ein ganz besonderes, ein anderes Hören, das tatsächlich fast süchtig machen kann. Und genau darin liegt eines der entscheidenden Geheimnisse dieser Lautsprecher: Das vollwertige Spiel schon bei kleinsten Lautstärken, das sofortige Anspringen und Abschwellen, das von Russell so geschätzte „Stop and Go“. Das ist es, was einen „echten Russell-K-Lautsprecher“ ausmacht. Ihr Rundstrahlverhalten ist dabei ähnlich gut wie das meiner LS3/5a. Fehlt noch das Gehäusedesign, das klassisch- britisch dünnwandig und doch wieder anders ist. Wenn Kaufmann etwas hasst, wie der Teufel das Weihwasser, dann sind das überbedämpfte Gehäuse, die nach seiner Meinung zu Energiespeichereffekten, Verfärbungen und Verlangsamungen führen. Also geht er den dünnwandigen Weg, vermeidet aber die Dämmung der Schallwände mit Schwerfolie, wie sie in den klassischen BBC-Designs Standard ist. Für die Front nimmt er 19 Millimeter starkes MDF, um die Chassisgewichte auszugleichen, für den Rest 16 Millimeter.


Das Innere der Box ist, Sie ahnen es vielleicht schon, unbedämpft. Dafür gönnt er jedem Treiber seine eigene Kammer, die er durch ein Brettchen mit einer genau definierten Anzahl von Löchern unterhalb des Hochtöners trennt. Übrigens lässt Russell selbst die Treiber ohne Dichtungen mit angepasster Geometrie zum luftdichten Sitz montieren, ein Konzept, das er beim Studium der Naim-SBL-Lautsprecher entdeckt hat. Die Abstimmung der Box ist so ausgelegt, dass die Bassreflexabstimmung erst bei rund 100 Hz einsetzt – davor agiert die RED 50 wie ihre größeren Geschwister quasi als geschlossene Box. Der Bassreflexport ist auf 55 Hertz abgestimmt und bei 80 Hertz entsteht eine ganz leichte Erhöhung, ein Trick, den praktisch jeder Konstrukteur kleiner Lautsprecher anwendet, um mehr Bass vorzutäuschen, wo effektiv keiner ist. Und so groovt „Kind of Blue“ wunderbar dahin, und ich höre den oft nur erahnbaren Kontrabass von Paul Chambers so präsent wie selten. So geht es mir mit einer Platte nach der anderen. Mit einem fetten Grinsen im Gesicht höre ich mit diesem außergewöhnlichen Lautsprecher manche meiner Lieblingsscheiben wie mit neuen Ohren.

Fazit

Konventionell daherkommender unkonventioneller Monitor, der vieles anders und ganz viel richtig macht und dabei den Spaß am Musikhören betont. Liebens- und sehr hörenswert.

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Kategorie: Lautsprecher Stereo

Produkt: Russell K RED 50

Preis: um 1450 Euro

9/2019
Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb Ibex Audio, Heidenheim 
Telefon 07321 25490 
Internet www.ibex-audio.de 
Funktionsprinzip 2-Wege-Bassreflexlautsprecher 
H x B x T 205 x 310 x 200 mm 
Gewicht: 5,6 kg 
Garantie 2 Jahre 
Unterm Strich... » Konventionell daherkommender unkonventioneller Monitor, der vieles anders und ganz viel richtig macht und dabei den Spaß am Musikhören betont. Liebens- und sehr hörenswert. 
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Christian Bayer
Autor Christian Bayer
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Datum 17.09.2019, 10:01 Uhr
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