Musikrezension: John Scofield – John Scofield (ECM)

Ob es am Corona-Lockdown lag, dass John Scofield nach fast 50-jähriger Aufnahmetätigkeit mit 70 Jahren im August 2021 sein erstes Solo-Album aufnahm, konnte ich nicht verifizieren, es ist jedoch ein Glücksfall, dadurch dem großen Können des Ausnahmegitarristen ungeteilte Aufmerksamkeit widmen zu können. Nur mit Gitarre und Looper arbeitet sich John Scofield durch ein aus 13 Stücken bestehenden Programm, auf dem er den Bogen spannt von Stücken aus der Feder Keith Jarretts, Buddy Hollys und Hank Williams’ bis hin zu eigenen Kompositionen, denen er hier eine neue Gestalt und in kurzen lakonischen Texten auf dem beiliegenden Beiblatt Auskunft über dessen Herkunft gibt. Stilistisch ist er ganz bei sich, klingt aufgrund seines nahe am Gitarrensteg angesetzten Saitenanschlags leicht verzerrt und unprätentiös. In aller Sachlichkeit wechselt er zwischen Folk-Miniaturen, zerbrechlichen Balladen (sehr stark ist „My Old Flame“) und bringt mit „Not Fade Away“ auch eine Rock‘n‘Roll-Nummer zu Gehör. Damit eröffnet er völlig neue Blickwinkel sowohl auf seine eigenen als auch die Kompositionen anderer großer Musiker, ohne dies zu einer simplen Feierstunde verkommen zu lassen. Vielmehr bemüht er sich um Originalität, die er mit seiner E-Gitarre jedem Stück angedeihen lässt und dabei ohne Wehmut auf seine musikalische Vergangenheit zurückblickt. Mit seinem selbstbetitelten Werk lässt er einerseits ein Stück weit in seine musikalische Seele blicken und erlaubt dem Hörer anderseits, sich einen Eindruck von der außergewöhnlich klar strukturierten Spielweise des Saiten-Meisters zu verschaffen. Dieses höchst atmosphärische Werk kann jedem qualitätsbewussten Hörer, der etwas für Gitarre und Folk-Jazz übrig hat, empfohlen werden.

Fazit