Kategorie: Hifi sonstiges

Einzeltest: Thivan Labs Anteros-9


Dipollautsprecher Thivan Anteros-9

Hifi sonstiges Thivan Labs Anteros-9 im Test, Bild 1
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So was nennt man ja gerne „echtes Männer-HiFi “: groß, schwer – Entschuldigung, sehr schwer – und bestimmt auch ziemlich teuer. Die Anteros-9 von Thivanlabs ist in zwei von drei Punkten schuldig im Sinne des Vorurteils – nur teuer, das ist sie in Anbetracht des physischen Gegenwerts nicht. Wir hören genau hin, ob die vietnamesischen Lautsprecher auch akustisch das liefern, was sie versprechen – und werden ganz schön überrascht

Das ist schon ganz schön schweres Geschütz, was Thivanlabs da auffährt, und die Doppeldeutigkeit des Ausdrucks ist beabsichtigt. Pro Seite verteilen sich etwa 120 kg Lautsprecher auf jeweils zwei Gehäuse mit den Maßen einer großen Waschmaschine und eines Stehkühlschranks. Dazu kommen noch mal etwa 25 Kilo Endstufe sowie ein paar Kilo Röhrenfrequenzweiche und -vorverstärker. Macht 270 Kilogramm High Fidelity, und für so viel Materialeinsatz ruft der deutsche Thivan-Vertrieb TCG einen überaus fairen Kurs von gerade einmal 27.000 Euro auf.

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Die Anteros-9 bedient sich eines eher ungewöhnlichen Dipolkonzepts, und zwar auch im Bass- und Mitteltonbereich. Das ist von daher ungewöhnlich, da die Gesetze der Physik es mit zunehmender Wellenlänge (also tieferen Frequenzen) schwerer machen, keinen akustischen Kurzschluss zu produzieren, der in einer Auslöschung der Bassfrequenzen resultiert. Bei den Thivan Anteros-9 blicken wir aber auf vier jeweils auch nach hinten vollständig offene Gehäuse. Zwei der Module sind bodenstehende Säulen mit einem AMT-Treiber in der Mitte von zwei 15-Zoll-Papiermembran- Treibern. Die Effektivität des Ganzen gibt Thivan mit atemberaubenden 99 dB/ W/m an. In den beiden kleineren Modulen befindet sich jeweils ein 21-Zoll-Tieftöner, ebenfalls mit offener Schallwand. Sie werden vom röhrenbestückten Thivan Anteros Subwoofer Preamplifier aktiv getrennt, wobei der Regelbereich zwischen 40 Hz und 200 Hz einstellbar ist. Ebenfalls lässt sich bereits hier die absolute Phase von 0° auf 180° umschalten und sehr feinfühlig die Lautstärke der Bassmodule einstellen, bevor das Signal zu einem wahren Monster von Endstufe fließt. Diese liefert mit zweimal 2.500 Watt an 4 Ohm so ziemlich genug Saft für alle, aber auch wirklich alle Lebenslagen. Kurze Vorschau: Ich habe selbst bei höchsten Pegeln selten auch nur die Signalanzeige-LED zum Leuchten bringen können, und das in unserem gute 60 Quadratmeter großen, ziemlich bassschluckenden Redaktionshörraum … Wo wir gerade dabei sind: Die Thivan Anteros-9 ist für große Räume von 40 bis 100 m2 gedacht. Diese Bassmodule sollten idealerweise ein gutes Stück hinter den Mittel-Hochtontürmen aufgestellt werden und dann immer noch mindestens 1,5 Meter von der Rückwand wegstehen. Sie sehen also, mit meinem heimischen 25-Quadratmeter-Wohnzimmer wird es leider nichts mit mir und den Anteros-9. Zum Glück bietet Thivan auch noch kleinere Modelle an, die nur zweiteilig und mit deutlich geringerem Footprint daherkommen. Apropos Footprint: Alle Module stehen auf ultrastabilen Auslegern mit von oben per Inbus einstellbaren Spikes, von denen jeder einzelne auch als umgedrehte Zitronenpresse durchgehen könnte, so massiv sind sie aus dem Vollen gedreht. Sollte also irgendwann mal ein Kind gegen die Lautsprecher rennen, steht der Sieger angesichts des Lebendgewichts von etwa 70 Kilogramm alleine für die Mittel-Hochtoneinheit schon vorab fest. Übrigens: Die europäischen Versionen der Thivan- Lautsprecher unterscheiden sich substanziell von den für den asiatischen Markt gefertigten: Ihre Verarbeitungsqualität ist wesentlich hochwertiger, die Verpackungen sind absolut hochseetauglich, und zudem entsprechen sie allen relevanten europäischen Vorschriften.     


Klang


Irgendwie erwarte ich von diesem imposanten Arrangement einen füllig-druckvollen Sound, der Assoziationen an ein amerikanisches Schlafzimmer aus den 1990er-Jahren weckt. Keinesfalls war ich auf eine Soundlandschaft vorbereitet, die eher einer stylischen Wohnung in einem Kopenhagener Vorort für Besserverdienende gleicht. Will heißen: Die Anteros-9 lassen ihren ATM-Treiber strahlen, funkeln, sprühen, sie lösen (nicht nur im Hochton) überragend hoch auf, bewahren eine klare, niemals aufweichende oder gar plüschige Kontur, sind ultraschnell und maximal präzise über den gesamten Frequenzgang. Der Bass geht MEGAtief linear nach unten. Ich habe das sinnigerweise „Deeper“ betitelte Stück von Pete Belasco noch nie so abgrundtief grummeln gehört – mit mehr „Druck“, ja. Doch nach dem Hören mit den vietnamesischen Topmodellen muss ich sagen, dass wahrscheinlich die Hälfte des von den damaligen Bassreflexlautsprechern produzierten Drucks auf das Konto von Gehäusen und Raumakustik ging. Denn die klar umrissene, locker aus dem Ärmel geschüttelte Präsenz des Tiefbasses in diesem Stück, mit normalerweise der Lebensdauer von Lautsprechermembranen abträglichen Pegeln über die Thivan gehört, ist nicht nur im Redaktionssofa und im Autorenmagen zu spüren. Nein, sie zwirbelt sich vom Steißbein ausgehend das Rückgrat hinauf bis hinein in die letzten Synapsen des Lustzentrums, und dabei dickt der Bass noch nicht mal ein winziges Jota auf, bleibt trockener als ein Loriot-Sketch. Uff. Szenenwechsel zu St. Paul and the Broken Bones und „Convex“ vom aktuellen Album „Young Sick Camelia“. Aaaaaah! Eine Armee aus Bläsern, Schlagzeug und E-Bass attackiert mich, so laut, so klar, so hammerhart auf den Punkt geprügelt, dass mir kurz der Atem wegbleibt – und mit einem eisigen Schauer über den Rücken wieder in die Lungen schießt, als die Backgroundsänger im Refrain aus dem Bandumfeld heraustreten, und ich sicher bin, das so realistisch noch nie gehört zu haben. In dieser unangestrengten „Einfach-da-Dynamik“ materialisiert sich sicher auch der beachtlich hohe Wirkungsgrad der Anteros-9. Die unbedingte Kontrolle der Thivan Anteros-9 auch bei absurden Pegeln ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass sie es schaffen, eine Menge an Details aus dem Klangwust zu extrahieren, die im ersten Moment fast erschlagend ist, aber dann so viel mehr Sinn ergibt. Depeche Modes Album „Ultra“ meinte ich wie meine Westentasche zu kennen – aber nein, da passieren Sachen, die mir eine ganz neue Perspektive auf Teile des Geschehens geben, oder die zumindest meine Wahrnehmung des Ganzen erheblich erweitern, Facetten hinzufügen, Verständnis fördern. Ja, da ist viel Energie obenrum, doch selbst mit Musik, die man normalerweise mit wirklich hochtonlastig abgestimmten Lautsprechern nur unter Zimmerlautstärke wirklich gerne hört, werden die Anteros-9 nicht lästig. 1980Er-Heavy Metal mit eh schon limitiertem Druck im Frequenzkeller zum Beispiel, aber auch komplexe und hart am Kompressorlimit gefahrene Sachen wie „The Last Breath I Take Is Yours“ der kanadischen Death- Metaller Kataklysm fransen nie stressig aus – man denkt „Nee, das sollte ich nicht in dieser Lautstärke spielen …“ und tut’s dann doch, und dann überlegt man, ob’s nicht vielleicht doch noch ein bisschen lauter geht … Bevor ich dazu komme, diese Frage zu beantworten und im selben Zuge meine Ohren dauerhaft zu schädigen, ziehe ich die Notbremse und gehe zum ruhigeren Sound von Laura Gibson und ihrem aktuellen Album „Goners“ über. Und wie gut die Anteros-9 auch die melancholischsehnsuchtsvolle Stimmung des Albums transportiert! Die emotionale Ansprache von Stimmen und Streichinstrumenten ist exzeptionell direkt und trifft mitten in den Solarplexus. Wobei wir bei der einzigen Einschränkung meiner Lobeshymnen über die große Thivan wären. Wohlgemerkt Einschränkung, nicht Schwäche. Denn die Tiefe des abgebildeten Raumes ist in meiner Erfahrung weitestgehend Geschmackssache, und die Anteros-9 bilden (zumindest in unserem Hörraum) generell eher auf und vor der Lautsprecherbasis ab, projizieren nur ab und an mal einen Akzent in die Tiefe des Raumes dahinter – eigentlich erstaunlich angesichts der Dipol-Charakteristik und unter Umständen auch nur Resultat der starken Bedämpfung unseres Hörraums. Das geht Hand in Hand mit einer insgesamt recht realistisch gestaffelten Bühne, die sich gut von den massigen Lautsprechern ablöst und ziemlich genau auf der Höhe der AMT-Treiber in der Breite begrenzt ist. Die Abbildung gerät gerade bei Stimmen vielleicht etwas größer als im echten Leben, doch das passt gut zum direkten, überaus involvierenden Charakter der Anteros-9 – und ganz ehrlich, lieber habe ich Gänsehautschauer nach Gänsehautschauer, weil ich Laura Gibsons emotionales Innenleben aus erster Hand unter der Klanglupe erleben darf, als eben nicht. Nicht nur angesichts des Preises sind diese Lautsprecher eine Wucht – und ich wäre sicherlich in arger Versuchung einer privaten Investition, wenn ich denn den erforderlichen Platz für die Anteros-9 hätte. Wenn das jedoch passt: Halleluja!

Fazit

Grandios. Wer einen echten Fullrange-Lautsprecher mit überragenden grob- und feindynamischen sowie analytischen Fähigkeiten sucht und den nötigen Platz dafür hat, dem seien die Thivan Anteros-9 wärmstens ans Herz gelegt.

Kategorie: Hifi sonstiges

Produkt: Thivan Labs Anteros-9

Preis: um 27000 Euro

3/2019

Grandios. Wer einen echten Fullrange-Lautsprecher mit überragenden grob- und feindynamischen sowie analytischen Fähigk

Thivan Labs Anteros-9

 
Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb TCG Handels GmbH, Nordhorn 
Telefon 02065 544139 
Internet www.tcg-gmbh.de 
Garantie
Bass-Vorverstärker Low-Pass-Frequenzweiche Lautstärkeregelung Phasenschalter 
Leistung Bassverstärker 2 x 2.500 Watt an 4 Ohm 
Mittel-/Hochton-Gehäuse 162 x 46 x 38 cm (H x B x T) Stand: W 60 cm x D 50 cm 
Bassgehäuse 84 x 63 x 40 cm (H x B x T) 
Ständer 77 x 55 cm (B x T) 
Bassverstärker 13 x 43 x 48 cm (H x B x T) 
Bass-Vorverstärker Maße 14 x 43 x 36 cm 
Systemgewicht 270 
Ausführungen Palisander 
Kommentar Grandios. Wer einen echten Fullrange-Lautsprecher mit überragenden grob- und feindynamischen sowie analytischen Fähigkeiten sucht und den nötigen Platz dafür hat, dem seien die Thivan Anteros-9 wärmstens ans Herz gelegt. 
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