Kategorie: Plattenspieler

Einzeltest: Well Tempered Amadeus Mk II


Einen Dämpfer bekommen

Plattenspieler Well Tempered Amadeus Mk II im Test, Bild 1
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Irgendwie Exoten und dann doch schon so lange dabei: Die Plattenspieler von Well Tempered gibt es mindestens schon so lange, wie ich mich für HiFi interessiere. Und all die Jahre sind sie immer ganz vorn dabei gewesen

William Firebaugh war – kein Scherz – in der Luftfahrtforschung beschäftigt, als er seinen ersten Plattenspieler entwickelte. Was klingt wie einer der Standardsätze aus dem High-End-Wörterbuch („Raumfahrttechnik“, „Flugzeugaluminium“) ist in diesem Fall wahr. Als kreativer Kopf hatte er schon immer etwas gegen Standardlösungen – die Schwächen des konventionellen Systems Plattenspieler mit allen seinen Resonanzen waren ihm damals schon ein Dorn im Auge. Vor allem die Tonarmlager fanden seine Missbilligung, bis er eine Lösung fand, die üblichen Konstruktionen komplett außen vor zu lassen. Gesagt, getan: Firebaughs Tonarm hängt an einem Fadentrapez, das durch Verdrillen auch die Funktion einer Antiskating-Einrichtung übernehmen kann.

Plattenspieler Well Tempered Amadeus Mk II im Test, Bild 2Plattenspieler Well Tempered Amadeus Mk II im Test, Bild 3Plattenspieler Well Tempered Amadeus Mk II im Test, Bild 4Plattenspieler Well Tempered Amadeus Mk II im Test, Bild 5Plattenspieler Well Tempered Amadeus Mk II im Test, Bild 6Plattenspieler Well Tempered Amadeus Mk II im Test, Bild 7Plattenspieler Well Tempered Amadeus Mk II im Test, Bild 8Plattenspieler Well Tempered Amadeus Mk II im Test, Bild 9
An den Fäden hängt die Führung des Armrohrs, darunter der Schwerpunkt des Arms in Form eines Golfballs. Genauer genommen: Ein halber Golfball, denn der obere Teil mit der Aufhängung des Armrohrs ist inzwischen eine Metallkonstruktion. Den Galgen lässt sich Hermann Hoffmann von Audio Int‘l übrigens weiterhin in der Vorgängerversion montieren, weil diese einfach etwas solider ist. Der untere Teil des Golfballs taucht in eine Wanne mit hoch viskosem Silikonöl, damit sich der ja an sich frei hängende Ball stabilisiert und in seiner freien Bewegung bedämpft wird. Damit sind Resonanzen Geschichte. Zusätzlich wird das Armrohr aus Aluminium mit feinem Sand gefüllt und damit ebenfalls komplett unempfänglich gegen Schwingungen gemacht. Der Arm kann dank des steckbaren Tonarmkabels vom Plattenspieler abgenommen und ganz einfach auf dem Tisch mit dem Tonabnehmer bestückt werden, ohne dass irgend etwas wackelt und einem dadurch die Montage vermasselt. Eine Schablone braucht es ohnehin nicht – Firebaugh hat die Kröpfung am Headshell einfach festgelegt. In der Praxis kann man durch vorsichtiges Verstellen der Armbasis – also des „Galgens“ zumindest den Überhang ein paar Millimeter vergrößern oder verkleinern. Da der Well Tempered Tonarm auf dem Amadeus Mk II immerhin zehneinhalb Zoll lang ist, ist der maximale Spurfehlwinkel ohnehin nicht mehr so groß wie bei einem kürzeren Arm. Der Azimut und der Vertical Tracking Angle, kurz: VTA, werden an der Aufhängung in Bezug auf den Plattenteller justiert. Das geht natürlich nicht on the fly, stellt aber im Ruhezustand kein Problem dar. In der Praxis ist es nur ein bisschen ein Geduldsspiel, ohne Rändelschrauben oder Ähnliches, nur mit einer Schnur den rechten Winkel einzustellen. Für die Überprüfung des Azimuts kann man sich der spiegelnden Platte mit dem Typenschriftzug unter dem Headshell bedienen. Mit dem Gegengewicht am langen Ausleger wird die Auflagekraft eingestellt. Die Dämpfung des Arms lässt sich nun ganz leicht einstellen: Die mit einer bestimmten Menge Silikonöl befüllte Wanne, in die der Golfball eintaucht, kann nach Lösen einer seitlichen Fixierschraube nach oben oder unten verschoben werden. Das sollte bitte mit viel Gefühl erfolgen, denn hier sind Extreme in beiden Richtungen nicht zielführend. Der Unterbau des Amadeus Mk II ist eine Konstruktion aus zwei voneinander entkoppelten MDF-Platten. Die Zarge steht auf vier Metallrohren mit eingepressten entkoppelnden Gummielementen. Eines dieser Elemente hatte sich beim Transport bei mir gelöst und stellte sich als Squashball heraus – es bleibt also konsequent sportlich. Warum auch nicht – wenn etwas Vorhandenes perfekt für einen Einsatzzweck geeignet ist, warum sollte man dann mit Gewalt etwas Eigenes konstruieren? Bei unserem Testmodell hat man noch eine Blende aus massiven Kupferleisten um die Füße montiert. Damit sieht der Amadeus noch solider aus und ist es auch: Rund sechs Kilo mehr bringt er so auf die Waage. Die Option ist mit 675 Euro nicht zu teuer. Der Plattenteller besteht aus Acryl, der Lagerdorn aus Edelstahl. So weit, so normal. Etwas Ungewöhnlicher ist da schon die Tellermatte, die aus einem extrem leichten und weichen Schaum besteht. Aber erst beim Blick in die Lagerbuchse wird es richtig seltsam: Die Öffnung ist dreieckig. Demzufolge hat der runde Lagerdorn nicht vollflächig Kontakt zur Buchse, sondern nur an wenigen Punkten – fünf sind es genau – Kontakt zur „Lagerbuchse“. Die freien Zwischenräume werden großzügig mit Öl aufgefüllt. Durch den minimalen Zug des extrem dünnen Nylon-Antriebsfadens wird der Teller so weit stabilisiert, dass er ruhig und ohne Taumeln dreht. Hinten in der Zarge sitzt der kleine Synchronmotor, der von einem externen Netzteil angesteuert wird. Hinten befinden sich auch noch die beiden Cinchbuchsen für die Zuleitung zur Phonostufe. Das Typenschild verkündet ganz offen und ehrlich, dass der Well Tempered in China von Opera Audio gefertigt wird. Die Version „GTA“ des Amadeus hat übrigens eine Zarge aus Acryl – in der Vorgängerversion vor acht Jahren schon einmal Testgerät in der LP-Redaktion. Nun hat es keine gravierenden Veränderungen gegeben, sondern subtile Modellpflege, die ich vor allem bei der besseren Handhabbarkeit des Tonarms sehe. In Sachen Klangqualität hat sich nicht so viel getan. Und das ist gut: Immer wieder verblüfft einen der Well Tempered mit der absoluten Überlegenheit, mit der diese so filigran wirkende Konstruktion bei der Musikwiedergabe zu Werke geht. Das hat einfach Ruhe und viel Kraft, die durch die einmalige Dämpfung des Arms erreicht wird. Um es kurz zu machen: Es schwingt einfach nichts anderes als die Nadel – und genau so soll es ja idealerweise sein. Mit „normalen“ Tonabnehmern, also Systemen, die für die heute handelsüblichen mittelschweren Arme konzipiert sind, hat der Well Tempered leichtes Spiel. Aber was wäre das Leben ohne Herausforderungen: Als leidenschaftlicher Jäger und Sammler habe ich im Lauf der Jahre eine Menge Tonabnehmer gesammelt. Selbst im ganz dubiose Teile aus grauer Vorzeit, deren Zustand in Sachen Dämpfungsgummis durchaus nicht mehr gut war, ließen sich mit der entsprechenden Einstellung des Arms zu einer akzeptablen Leistung anspornen, wo sie mit einem normalen Arm einfach kaum noch abtasten wollten. Die London-Reference-Tonabnehmer, die ja aufgrund ihrer ganz speziellen Nadelaufhängung als etwas zickig gelten, entfalten auf dem Well ihr ganzes Potenzial: Das groovt und rockt, dass kein Auge trocken bleibt. Dynamik ist sowieso eines der Hauptattribute des ganzen Systems, das nicht nur aus dem genialen Arm besteht, sondern auch aus diesem vermeintlich so wackeligen Laufwerk, das sich, einmal in Schwung, vor keinem Masselaufwerk verstecken muss. Die Herangehensweise ist nur eine ganz andere: Wo die einen Resonanzen durch viel Masse vernichten, lässt der andere sie gar nicht erst entstehen, weil er so gut wie alle Quellen schädlicher Schwingungen einfach ausgemerzt hat. Und so gelingt auch mit dem flachen Teller und einem ganz dünnen Antriebsstring ultratiefe Basswiedergabe mit einem enormen dynamischen Spielraum. Vor einem extrem ruhigen Hintergrund zeichnet der Well mit viel Übersicht und großem Schwung einen plastischen Mitteltonbereich, in dem Stimmen authentisch und sehr lebendig klingen und man fast schon die Holzsorte einer Gitarre herauszuhören vermeint, wenn der Tonmeister seine Sache gut gemacht hat. Bei all den Meriten, die sich der Well Tempered in Einzelbereichen verdient, darf man nicht übersehen, dass es die Summe dieser Details ist, die diesen einmaligen Plattenspieler ausmacht, seine Fähigkeit, Musik in sich so schlüssig und natürlich wirken zu lassen und das so gut wie mit jedem Tonabnehmer, den man auf dem Arm montieren kann.

Fazit

Durch zahlreiche außergewöhnliche Detaillösungen erreicht der Well Tempered Amadeus Mk II eine ebenso außergewöhnliche Klangqualität. Dass er auch noch fair bepreist ist, soll uns sehr recht sein.

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Kategorie: Plattenspieler

Produkt: Well Tempered Amadeus Mk II

Preis: um 3485 Euro

4/2018
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Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb Audio Int‘l, Frankfurt 
Telefon 0 69 503570 
Internet www.audio-intl.com 
Garantie (in Jahre) 3 Jahre 
B x H x T (in mm) 483/150/406 
Gewicht (in Kg) 20 kg 
Unterm Strich... Durch zahlreiche außergewöhnliche Detaillösungen erreicht der Well Tempered Amadeus Mk II eine ebenso außergewöhnliche Klangqualität. Dass er auch noch fair bepreist ist, soll uns sehr recht sein. 
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Autor Thomas Schmidt
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Datum 11.04.2018, 10:00 Uhr
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