Musikrezension: Oded Tzur – Isabela (ECM)

Begann ich in Ausgabe 3/2020 die Besprechung seines Albums „Here Be Dragons“ noch mit der Bemerkung, dass nach wenigen Augenblicken der ECM-typische Sound mit warmweichen Klängen, die große Ruhe ausstrahlen, zu hören ist, könnte ich auf seinem aktuellen Werk „Isabela“ glatt das Gegenteil behaupten. Das Intro „Invocation“ sowie das nachfolgende „Noam“ kommen mit ungewohnter Intensität und Kraft daher, wie sie einem von Aufnahmen aus dem Hause ECM eher selten entgegenschallen. Die eindringliche Performance schärft aber umso mehr die Sinne für dieses außergewöhnliche Werk (leider mit 35 Minuten auch außergewöhnlich kurz). Die traumhaft miteinander harmonierenden Mitspieler sind unverändert geblieben, klingen dabei noch straffer als auf dem vorherigen Album. Der Tenorsaxofonist Oded Tzur hat sich durch die Grundstruktur klassisch indischer Musik beeinflussen lassen und stellt diese Grundzüge in der Eröffnung vor, bevor er auf den weiteren vier Stücken das Thema von allen Seiten beleuchtet und tief zum Kern seines musikphilosophischen Ansatzes vordringt. Was sich sehr verkopft anhört ist im Ergebnis höchst emotional und Oded Tzur wird mit seinem Instrument zum Erzähler von Geschichten anstatt zum Erzeuger von Melodien. Das subtile Klavierspiel Nitai Hershkovits unterstütz ihn dabei, ebenso wie die fein ausbalancierte Schlagwerksarbeit Jonathan Blakes. Das zarte Bass- Fundament wird von Petros Klampanis ausgelegt und erlaubt den Musikern, verschiedene Aspekte der Kompositionen zu betonen. Oded Tzur musste laut eigener Aussage seinen Mut zusammennehmen, um mit seinen Werken das komplette musikalische Spektrum zwischen Ruhe und Explosion zu erforschen. Dieser Mut wird belohnt mit einer Musik, die mit ihrer sagenhaften Intensität zu fesseln vermag - auch typisch ECM.

Fazit