Kategorie: Vollverstärker

Einzeltest: NAT Single


Einer mit Steuermann

Vollverstärker NAT Single im Test, Bild 1
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Die Tage werden kürzer, bald sinken die Temperaturen wieder. Zeit, sich mit etwas wärmender Röhrenelektronik zu beschäftigen. Wie wär‘s mit einem echten Biest von Single-Ended-Verstärker?

NAT ist, wie unschwer zu erraten, eine Abkürzung und steht für „Nikic Audio Team“. Herr Nikic heißt mit Vornamen Dejan und ist in Serbien beheimatet. Und erfreulicherweise ist man auf dem Balkan offensichtlich noch in der Lage, schwergewichtiges HiFi zu Preisen zu realisieren, die nicht gleich den Verlust der Eigentumswohnung bedeuten: Der Vollverstärker mit der schlichten Typenbezeichnung „Single“ kostet 6.900 Euro. Das ist absolut betrachtet viel Geld, in Anbetracht des Gebotenen jedoch erfreulich zivilisiert. Sprich: Hier gibt’s 60 Kilogramm Röhrenverstärker im Single-Ended-A-Betrieb mit (nominell) 50 Watt Ausgangsleistung. Das dürfte andernorts zu diesem Preis kaum zu finden sein.

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Oder vielleicht bei chinesischen Direktimporten von zweifelhafter Qualität. Bei NAT geht das etwas anders: Das Unternehmen baut bereits seit 2001 international erfolgreich Vor-, Voll- und Endverstärker in Röhrentechnik, und zwar durch die Bank ziemlich extreme Konstruktionen. Mit schnöder 300B- oder EL34-Technik gibt man sich nicht ab, die Leistung besorgen praktisch immer äußerst kräftige Glaskolben aus der Rundfunksende- oder Militärtechnik. Beim „Single“ sorgt eine GM70 pro Seite für die Leistung und ein kuscheliges Raumklima. Die Röhre ist eine Art Antwort der russischen Röhrenindustrie auf die bekannte 845, de facto ist die GM70 aber die deutlich leistungsfähigere Röhre. Sie ist eine direkt geheizte Triode mit einer Anodenverlustleistung von 125 Watt und wird schon bei dreistelligen Betriebsspannungen „wach“. So richtig kleine Verstärker kann man damit aber trotzdem nicht sinnvoll bauen, zwei Röhren dieses Typs konsumieren schon 120 Watt Heizleistung. Die Versorgungsproblematik führte zur Zweiteilung des Single: Der beeindruckend schwere Netztrafo mit einer spezifizierten Belastbarkeit von einem Kilovoltampere ist ins separate Netzteilgehäuse eingegossen und entzieht sich so neugierigen Blicken. Die Verbindung zum Verstärkerabteil besorgt eine daumendicke Strippe mit vielpoligem Hochstrom-Steckverbinder absolut vertrauenerweckender Dimensionierung, ich kenne so etwas noch als Netzteilverbinder aus der mittleren Datentechnik der Siebzigerjahre. Beim Verstärker selbst fällt das ungewöhnliche Bedienkonzept auf und natürlich die die durch den Deckel ragenden leuchtenden Protagonisten. Und leuchten kann sie gut, so eine GM70, was an den fast weiß glühenden thorierten Heizfäden liegt. Der zweite Glaskolben vom Typ 6N23P ist eine deutlich unspektakulärere Doppeltriode, die die Spannungsverstärkung und Ansteuerung der hünenhaften Endröhre besorgt. Wer nennenswerten Stromverbrauch und reichlich Wärmeabstrahlung bei diesem Verstärker vermutet, liegt natürlich goldrichtig. Immerhin gibt‘s zwei Betriebsarten, im „Low“-Modus arbeitet die Endröhre mit deutlich reduziertem Ruhestrom, leistet nur noch 15 Watt, kann dafür aber auch niederohmige Lautsprecher treiben. Im Normalbetrieb sind bei etwas großzügiger Auslegung der Klirrgrenze 32 Watt drin, das allerdings auch nur an Acht-Ohm-Lautsprechern, bei vier Ohm gibt‘s deutlich weniger Leistung. Das ist in jedem Fall mehr als genug, zumal sich die alte Weisheit, nachdem ein Röhrenwatt eine ganz andere Hausnummer ist als ein Transistorwatt, auch hier bewahrheitet. Der „Low“-Modus ist übrigens nicht mein Freund geworden, ich schätze den Verstärker ungebremst deutlich mehr – egal an was für Lautsprechern. Die Front – neben unser schwarzen Variante gibt‘s auch eine gänzlich silberne Ausführung – zieren eine ganze Reihe von Tastern und (blauen) Leuchtdioden. Ein Taster ist fürs Ein- und ausschalten zuständig, der will aber fünf Sekunden lang betätigt werden, sonst passiert nix. Ein zweiter ganz rechts besorgt die erwähnte Betriebsartenumschaltung. Wenn man ihn betätigt, schaltet das Gerät stumm, erledigt die Umschaltung und ist dann zu weiteren Schandtaten bereit. Allerdings fährt es dabei die Lautstärke herunter, die manuell wieder aufgedreht werden muss. Die untere der beiden Leuchtdiodenketten zeigt den Pegel an, der mit den beiden Lautstärketastern gewählt wird. Das funktioniert aus unerfindlichen Gründen aber unendlich langsam, viel besser geht‘s mit der beiliegenden Fernbedienung, einem schönen Stück Maschinenbau der rustikaleren Sorte. Die obere Leuchtdiodenzeile zeigt an, welcher der sechs Eingänge angewählt ist. Einer davon akzeptiert neben asymmetrischen auch symmetrische Signale, Cinch- und XLR-Buchsen können aber nicht gleichzeitig belegt werden. Ein weiterer Eingang dient als Tape-Anschluss mit entsprechendem Ausgang, ein echte Monitor-Funktionalität gibt‘s aber nicht. Die Lautsprecheranschlüsse sind Schraubklemmen aus der Leistungselektronik – eine gute Wahl. Mit Abgriffen für unterschiedliche Impedanzen hat man nichts zu tun, wie oben schon erwähnt. Im Geräteinneren sieht‘s ziemlich anständig aus: Der Aufbau der recht komplexen Elektronik gründet sich auf zwei großformatigen Platinen, die beidseitig prall mit Leben gefüllt sind. Dabei gibt’s alles von passiven Komponenten guter Qualität bis hin zu Chips für die Steuerung und Schutzschaltung. Die Ausgangstrafos machen einen überaus soliden Eindruck, der Hersteller verspricht einen Frequenzgang von 10 Hertz bis 60 Kilohertz. Ambitioniert, aber nicht völlig unrealistisch. Schrauben wir die Edelstahlabdeckungen wieder drauf und hören stattdessen ein bisschen Musik. Der klangliche Unterschied zwischen Lowund Normalbetrieb ist frappierend: Mit reduzierter Power warm und gemütlich, von der Leine gelassen knackig, direkt und voluminös. Wir hören das Tom-Waits-eske „Break My Love“ des großartigen Albums „Cypress Ave.“ von The Midnight Ghost Train und freuen uns diebisch über den tiefen, federnden Bass, der aus unserer geschlossenen Nada kommt – ganz erstaunlich für einen 18-Zentimeter-Tieftöner. Der serbische Verstärker swingt förmlich in den tiefen Registern, liefert Farbe und Ausdruck, verleugnet aber die Röhre nicht: Ganz oben tönt‘s großartig fein ziseliert, aber seidig-sanft. Die extrovertierte Gesangsstimme von Steve Moss knarzt eindringlich und überzeugend, die Bassbegleitung auf „Lemon Trees“ klingt druckvoll und mächtig. Während mir angesichts dauerhafter Heizung mit rund 450 Watt Verlustleistung immer wärmer auf dem Hörraumsofa wird, darf Lynyrd Skynyrd mit dem Klassiker „Simple Man“ ran. Wenn‘s auf dem Analogue-Productions-Reissue des dazugehörigen Albums obenherum auch reichlich übertrieben zur Sache geht, klingt‘s ansonsten großartig: riesige Bühne, eine messerscharf in der Mitte positionierte Gesangsstimme und Kraft ohne Ende. Das unsterbliche gut neunminütige „Free as a Bird“ beißt zwar ebenso in den Ohren, aber immerhin weniger als bei der halbleiterbestückten Konkurrenz. Und immer mehr fange ich Feuer für diesen Verstärker: In Audio-Researchmäßiger Manier glänzt der serbische Eintakter mit einer hypnotisierenden Kombination aus Kraft und Farbigkeit. Wo wir gerade so schön nostalgisch unterwegs sind: Bruce Sprinsteens „Two Faces“ – meiner unmaßgeblichen Meinung nach einer der schönsten Titel, den der Boss je geschrieben hat – klingt episch breit, die Percussion-Spielereien schweben frei durch den Raum, die Stimme ist fest, steht gebührend tief im Raum. Großartige Nummer und so dargeboten nicht ohne feuchte Augenwinkel durchzustehen. Das hier, liebe Leser, ist große Klangkunst. Und vielleicht irgendwie noch für ernsthafte Hobbyisten zu realisieren. Nur mal so als Tipp.

Fazit

Für mich der Geheimtipp des Jahres: Dieser Single-Ended-Bolide klingt herausragend kräftig, fein, stabil und mit so viel Gefühl, dass man als Zuhörer dahinschmilzt. Und das nicht nur wegen der nennenswerten Abwärme.

Kategorie: Vollverstärker

Produkt: NAT Single

Preis: um 6900 Euro

12/2017
Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb Audio Offensive, Falkensee 
Telefon 03322 2131655 
Internet www.audio-offensive.de 
Garantie (in Jahre) 2 Jahre 
B x H x T (in mm) 483/260/400 
Gewicht (in Kg) 60 
Unterm Strich... Für mich der Geheimtipp des Jahres: Dieser Single-Ended-Bolide klingt herausragend kräftig, fein, stabil und mit so viel Gefühl, dass man als Zuhörer dahinschmilzt. Und das nicht nur wegen der nennenswerten Abwärme. 
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Holger Barske
Autor Holger Barske
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Datum 19.12.2017, 09:57 Uhr
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