Kategorie: Verstärker Endstufen

Einzeltest: Plinius SA-103


Blut, Schweiss und Tränen

Endstufen Plinius SA-103 im Test, Bild 1
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Alte Liebe rostet nicht. Und da ich mit dem Vor-vorgänger dieses wunderbaren Verstärkers eine ganze Zeitlang gelebt habe, kam mir die Gelegenheit, die aktuelle Variante in Augenschein zu nehmen, gerade recht

Mitspieler

Plattenspieler:

Transrotor Fat Bob/ Reed 3P/ Clearaudio Goldfinger


Phonovorstufen:

MalValve preamp three phono
Audionet PAM G2/ EPC


Vorstufen:

MalValve preamp four line


Lautsprecher:

Tannoy Kensington
Klang + Ton "Nada"
Audio Physic Scorpio 25
Teufel Ultima 800 Mk2

Zubehör:

Netzversorgung von PS Audio und HMS
NF-Kabel von van den Hul und Transparent
Phonokabel van den Hul
Lautsprecherkabel von Transparent
Plattenwaschmaschine Clearaudio

Gegenspieler

Endverstärker:

Accustic Arts Amp2 Mk2
Audio Research Reference 250

Entschuldigung, aber genau so muss eine „richtige“ Endstufe aussehen. Eine, die mit Potenz gesegnet ist oder zumindest erkleckliche Mengen von Verlustleistung loszuwerden hat.

Endstufen Plinius SA-103 im Test, Bild 2Endstufen Plinius SA-103 im Test, Bild 3Endstufen Plinius SA-103 im Test, Bild 4Endstufen Plinius SA-103 im Test, Bild 5Endstufen Plinius SA-103 im Test, Bild 6
Die Plinius SA-103 hat beides. Sie kann entweder ein veritabler Hochleistungsverstärker sein oder eine reinrassige Class-A-Endstufe mit entsprechend moderater Ausgangsleistung. Sie haben die Wahl in Gestalt eines Tasters auf der Frontplatte. Die SA-103 und zwei ihrer Schwestermodelle sehen aus wie Verstärker aus einer anderen Zeit. Der Hersteller hat sich ein eigenes Strangguss-Kühlprofil geleistet und trägt erkleckliche Mengen davon nicht ohne Stolz zu Markte. Wer 420 Watt Ruheverlustleistung loswerden will, der darf das, ja muss so etwas in der Art sogar tun. Die Kehrseite der Medaille: ein massives Verletzungsrisiko. Die Kühlkörper sind ordentlich scharfkantig und es ist fast nicht möglich, die Endstufe verletzungsfrei zu tragen. In dieser Hinsicht unterscheidet sie sich nicht von der SA-100 mk II (glaube ich), die vor sicherlich über zehn Jahren schon genau so aussah. Das allerdings hat der Tatsache keinen Abbruch getan, dass jenes Modell weltweit die meistverkaufte Endstufe ihrer Preisklasse war. Wie oft ich in den Monaten, die ich die Maschine beheimatete geblutet habe, weiß ich nicht mehr. An den unvergleichlichen Sound allerdings kann ich mich gut erinnern. Das ist so ähnlich wie Harley fahren: So richtig brauchen tut das kein Mensch, praktisch isses auch nicht, aber irgendwie verklärt man’s dann doch. Inwieweit das Schaltungsdesign der Endstufe mit dem Klassiker noch zu tun hat, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Der neuseeländische Hersteller hat in der Zwischenzeit den Besitzer gewechselt, und die Wahrscheinlichkeit, dass da noch alte Recken von damals am Werk sind, ist eher gering. Die SA-103 kostet mittlerweile 8.500 Euro. Dafür gibt’s 38 Kilogramm Verstärker pur. Wem die zweimal 200 Watt (vier Ohm, A/B-Betrieb) nicht reichen, der kann die SA-103 auch mono gebrückt betreiben, was eine Leistung von rund 400 Watt verspricht – wir haben’s nicht nachgemessen. Im A/B-Modus bleibt die Neuseeländerin vergleichsweise kühl und begnügt sich mit einer Leerlauf-Stromaufnahme von 56 Watt. Wer den „bösen“ Taster betätigt, der verachtfacht diesen Wert mal eben und hat echte 60 Watt Class-A-Leistung an acht Ohm. An vier Ohm sind’s übrigens nur noch deren 30, was den Hardcore-User unweigerlich zu eher hochohmigen Lautsprechern schielen lässt. Ach ja: Auf der Front gibt’s noch einen zweiten Taster, der schaltet die Ausgänge stumm. Schön, aber gegen den Class-ATaster eher langweilig. Die Rückseite offenbart zwei Paar gescheite Polklemmen – für den, der auf Bi-Wiring steht. Eingänge gibt’s im XLR- und Cinch-Format, über beide kann man auf Wunsch die Endstufe im Brückenbetrieb bedienen. Dafür gibt’s einen Drehschalter, der die Wahl zwischen zwei Stereo- und zwei Brückenbetriebsarten (jeweils XLR oder Cinch) erlaubt. Professionelle Gene verrät der Grund-Lift- Schalter, der im Falle von Brummproblemen die Verbindung zwischen Signalmasse und Gehäuse trennt. Ebenfalls an der Rückseite befindet sich der Netzschalter, und da ist er nicht besonders gut aufgehoben:In Ermangelung von so etwas wie einem Standby-Modus kann man entweder mindestens 56 Watt Dauerverbrauch in Kauf nehmen (was der Hersteller empfiehlt – keine Ahnung, was Strom in Neuseeland derzeit kostet) oder sich bei jedem Ein- und Ausschalten an den Kühlkörpern vorbeihangeln. Viel Spaß bei den Gesprächen über ihren andauernd verletzten Unterarm. Theoretisch freuen wir uns auch über die Griffe an der Rückseite, die in Verbindung mit ihren ungleich massiveren Pendants auf der Front so etwas wie Mobilität suggerieren. Die Illusion zerplatzt, wenn man die Endstufe tatsächlich mal daran zu tragen versucht: Die Lautsprecherterminals sitzen so eng an den rückwärtigen Griffen, dass man die Finger nicht vernünftig dazwischen bekommt. Genug des Gemeckers über Kleinkram, das hier ist ein Männerverstärker, und außerdem kennen Indianer bekanntermaßen keinen Schmerz. Für echte Kerle jedenfalls scheint die Dimensionierung des Netzteils gerade recht: Im Untergeschoss der SA-103 stecken zwei hünenhafte Ringkerne, die die gemessene Spitzenstromaufnahme von 720 Watt sicherlich mit einem müden Lächeln aus den kupfernen Rippen drücken. Wesentlich filigraner geht’s im oberen Abteil zu. Die zu erwartende Armada von Siebelkos bleibt interessanterweise aus, insgesamt acht strategisch geschickt verteilte kleinere Typen übernehmen die Pufferung der Betriebsspannungen. Die Leistungsabteilungen bestehen pro Kanal aus acht anerkannt guten bipolaren Sanken-Transistoren, und ab da wird’s schwierig, dem Layout des Verstärkers zu folgen. Eine ganze Reihe diskreter wie integrierter Schaltungsteile bevölkert die flächendeckende Hauptplatine. Neben allerlei Schutzschaltungen dürfen wir davon ausgehen, dass ein wenig Aufwand nötig ist, um dem Verstärker zwei weit auseinander liegende umschaltbare Arbeitspunkte anzuerziehen, die dann auch noch stabil bleiben müssen. Zwei dicke Relais trennen die Lautsprecher im Fehlerfalle und beim Einund Ausschalten vom Verstärker, so dass diese Prozesse geräuschfrei ablaufen – was ja auch nicht so ganz selbstverständlich ist. Kommen wir zum Thema „Schweiß“. Und ohne den geht’s nur sehr bedingt, wenn man sich mit „Tränen“ belohnen will. Zweifellos nämlich ist die Plinius in der Lage, absolut ergreifend Musik zu reproduzieren. Das Erste, was bei Nina Simones Carnegie Hall-Konzert auffällt, ist der gezupfte Kontrabass. Wunderschön knorrig, saftig und wohlkonturiert setzt die Neuseeländerin die tieftonalen Akzente. Die Atmosphäre dieses ganz besonderen Abends transportiert die SA-103 merklich anders als die großen Audio Research Reference 250. Im Class-A-Betrieb wirkt die Plinius kompakter, eine Spur zurückhaltender und nicht so ausufernd. Allerdings hat sie dieses Federnde, die Ansatzlosigkeit, eben das, was so richtig überzeugend nur mit reichlich Ruhestrom geht. Der Umstieg auf den A/B-Modus bestätigt, dass die Theorie stimmt: Es tönt merklich vordergründiger, scheinbar kräftiger. Irgendwie aber auch „normaler“ und nichtssagender. Der eine oder andere Klavieranschlag gerät gar ein wenig zu nuanciert, es klingt geradliniger und gleichförmiger. Für Partys oder heiße Sommertage sicher okay, wenn wir die Wahl haben, dann wählen wir den stromhungrigeren Modus. Damit geht dann sogar die Grammy-überschüttete Adele ziemlich gut: Der Über-Hit „Rolling Into Deep“, obschon im Radio totgespielt, offenbart das Ausnahmeorgan der Britin überzeugend, Chor und Solostimme platziert die SA-103 schön weit auseinander im Raum. Es rummst nicht unerträglich, wir hören so so etwas wie Bass. Der A/B-Modus tut im Grundton zu viel, im A-Betrieb wird’s deutlich milder, aber auch konturierter. Überzeugend. Das gilt in ganz besonderem Maße auch für das, was die Plinius mit dem wunderschönen Titelstück des 2005er-Springsteen- Albums „Devils And Dust“ anstellt: Hier ist von anheimelnder Zurückhaltung nicht mehr viel zu spüren, die Endstufe verteilt das Geschehen sehr breit, kaschiert die Lautsprecher sehr gut und räumt dem Boss einen prominenten, großvolumigen Platz in der Mitte ein. Die Mundharmonika beweist: Class A macht sich zuerst in den Mitten bemerkbar. Stimme wie Instrument kommen extrem farbig und intensiv. Der Eindruck, dass die Plinius in Sachen Raumabbildung Breite vor Tiefe favorisiert, setzt sich fort; das kleine Kunststück einer Höhenillusion allerdings beherrscht sie auch absolut überzeugend. Nach dem Betriebsartenwechsel in die „richtige“ Richtung braucht sie so ein Viertelstunde, bis Höchstform erreicht ist, dann allerdings gibt’s kaum noch eine Halten: Sie spielt mühelos, gefühlvoll und mit großartigem Timing. Auf dem Teller liegt Neil Youngs 1971er-„Massey-Hall“- Konzert und der Mann fragt: „Can You Feel It Know?“. Ich kann. Und wie. Einmal in diesem Klangbild gefangen, gibt’s kaum noch die Chance, aufzustehen und den einen oder anderen Titel zu überspringen. Ich wollte eigentlich nur noch mal kurz in „Cowboy in the Sand“ reinhören, aber dann sind’s doch alle vier Seiten geworden. Übrigens halte ich es für empfehlenswert, die Endstufe symmetrisch anzusteuern. Die Unterschiede zu den Cinch-Eingängen sind zwar nicht riesig, aber durchaus nachvollziehbar: Unsymmetrisch spielt’s etwas beengter und dynamisch vielleicht eine Spur flacher. Das ist aber so wenig, dass es dem zackig-leichtfüßigen Charakter keinerlei Abbruch tut. Einen Lautsprecher, der sich im A-Betrieb mit dieser Endstufe pegelmäßig nicht in den Wahnsinn treiben lassen würde, haben wir übrigens nicht gefunden.

Fazit

Optisch archaisch, im Unterhalt teuer und unpraktisch, klanglich aber traumhaft: Die SA-103 versprüht die Glut und Intimität des Class-AGedankens, hat aber genug Power um auch nicht ganz so einfache Lautsprecher in den Griff zukriegen. A/B-Betrieb? Was für Weicheier.

Kategorie: Verstärker Endstufen

Produkt: Plinius SA-103

Preis: um 8500 Euro

7/2012
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