Cary Audio ist eine hierzulande noch recht unbekannte amerikanische Marke, die sich voll und ganz dem Thema Röhrenverstärker verschrieben hat. Dabei geht man auch direkt in die Vollen und hält einige interessante Lösungen parat
Mitspieler
Plattenspieler:
Transrotor Fat Bob S mit SME IV
Acoustic Solid 111 Metall
Tonabnehmer:
Ortofon MC30
Charisma Audio MC-1
Clearaudio Maestro V2
Verstärker:
darTZeel CHT-8550
Luxman DA-200 und M-200
Lautsprecher:
AudioSolution Rhapsody 130
JMR Abscisse
Gegenspieler
Phonoverstärker:
Cleauraudio Balance
Quad Twentyfour P
Luxman E-200
Das mit dem „in die Vollen gehen“ bezieht sich auch auf die Preisgestaltung – Cary-Audio-Verstärker sind nicht billig. Und so muss man für den Phonovorverstärker, den wir hier untersuchen, immerhin 3.900 Euro berappen – eine Summe, die natürlich auch unsere Erwartungen befeuert.
In dieser Preisklasse stellt man sich schon den richtigen Platzhirsch in Sachen Phonoverstärkung vor – bewegt sich auf der anderen Seite aber noch in einem weiten Abstand zu den wirklich teuren Geräten, die gerne mal 10.000 Euro und mehr kosten können. Ein Wort noch zum Hersteller: Cary Audio hat eine hochmoderne Fertigung und fertigt ausschließlich selbst, was auch die etwas höheren Preise erklärt. Mit der oftmals beobachteten laschen Endkontrolle anderer amerikanischer Hersteller hat man nichts am Hut: Alles, was das Haus verlässt, ist makellos. Für uns Europäer nur eine Randnotiz, für den amerikanischen Markt aber fast schon selbstverständlich: Neben den klassischen Stereo-HiFi-Geräten hat man in den letzten Jahren eine sehr hochwertige Linie edler Surround-Geräte aufgelegt, die dem Heimkinofan das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Aber nun ernsthaft zu unserem Testgerät, der momentan einzigen Phonostufe aus dem Hause Cary. Die etwas sperrig getaufte PH 302 Mk II MM/MC arbeitet mit Röhren in der RIAA-Sektion und in der Pufferstufe, dazu gibt es einen Übertrager für die Vorverstärkung der niedervoltigen MC-Signale. Sogar die Gleichrichtung der Anodenspannung wird mit einer 5AR4-Röhre erledigt, während man für die Stabilisierung der Heizspannung Halbleiter einsetzt. Die Siebung der Hochspannung ist mehrstufig ausgelegt und recht aufwendig mit einer Drosselspule und hochwertigen Folienkondensatoren ausgeführt. Überhaupt sind alle Bauteile sehr eng toleriert. Der Cary arbeitet ohne Gegenkopplung mit einer rein passiven RIAA-Entzerrung – insgesamt vier 6SL7 übernehmen die Verstärkung. Für einen Phonovorverstärker besitzt die PH 302 ein schon ziemlich massives Gehäuse, das in der Breite zu den großen Komponenten aus demselben Hause passt. Der PH 302 MkII MM/MC ist in weiten Bereichen an den (die) angeschlossenen Tonabnehmer anpassbar. Die Verstärkung für den MM-Zweig beträgt 38 dB – über den eingebauten Lundahl-Übertrager vom Typ 9206 gibt es dann insgesamt 60 dB Verstärkung über alles. Umgeschaltet wird zwischen MM und MC über einen Kippschalter an der Front, der neben dem Netzschalter und dem Mute- Schalter sitzt. Neben den Cinch-Anschlüssen an der Geräterückseite befindet sich der Drehschalter für die Anpassung der Eingangsimpedanz im MC-Betrieb. Somit sollte der Cary, wenn man häufiger Tonabnehmer tauscht, frei zugänglich stehen. Praxisgerecht liegt die niedrigste Eingangsimpedanz bei 10 Ohm, die sich in fünf Stufen bis 47 Kiloohm steigern – dem Spieltrieb sind also keine Grenzen gesetzt. Ein Wort noch zum gewählten Lundahl Übertrager: Eine spürbare Klangbeeinflussung lässt sich nicht feststellen – auch unsere Messungen können einen sehr breiten nutzbaren Frequenzbereich attestieren. Die -3dB-Punkte für den MC-Betrieb liegen bei 30 Hz und fast 40 kHz – eine hervorragende Bandbreite. Obwohl die Messergebnisse für den Signal- Rauschabstand nicht die besten waren, die wir je gemessen haben, zeigte sich die Cary PH 302 in der Praxis in beiden Betriebsarten von der ruhigen Seite – in Sachen Dynamikunfang ist man auf jeden Fall komfortabel gerüstet. Die Momente der Stille vor dem Einsetzen der ersten Töne einer Platte lassen schon die kraftvolle Wiedergabe erwarten, zu der die Cary fähig ist. Tatsächlich steht die Röhrenphonostufe voll im Saft – die gemessene minimale „Loudness“-Abstimmung wird in eine kraftvolle, im Stimmen- und Grundtonbereich ungemein farbreiche Wiedergabe umgemünzt – das kommt bei krachendem Hardrock ebenso gut rüber wie bei anspruchsvoller klassischer Musik. Die Cary dabei auf eine reine Spaßmaschine zu reduzieren, hieße, ihr Unrecht tun – das Gerät ist durchaus auch ein Meister des Differenzierens und der scharfen Abbildung. Nur tut die PH 302 das eben nicht mit dem oberlehrerhaften Zeigefinger und mit nüchterner Strenge, sondern vermittelt Details immer mit dieser ihr quasi fest eingebauten mitreißenden Spielfreude. Bei einer so vorzüglichen Aufnahme wie dem Sacre du Printemps von den auf audiophile Platten fest abonnierten Duisburger Philharmonikern wird es deutlich: Das komplex aufgebaute Stück ist in den leisen Passagen atemberaubend spannend und bei den Tutti einfach nur überwältigend. Der Cary Phono gelingt es mühelos, den Raum über die Lautsprecher hinaus auszudehnen, dabei aber niemals ins Diffuse abzuschweifen, sondern alle Dimensionen auch bei drastischen Dynamikattacken wie mit dem Lineal gezogen beizubehalten – so spielt nur ein ganz souveränes Gerät!
Fazit
Durch seine umfangreichen Anschlussmöglichkeiten bietet die Cary PH 302 MkII MM/ MC den meisten Tonabnehmern eine perfekte Arbeitsumgebung – sogar den extrem niederohmigen Kandidaten. Ihre schier grenzenlose Dynamik und die bewusste Entscheidung für eine leicht gesoundete Abstimmung bedeutet pure Freude am Musikhören.