Regal-Horn

Auf dem Weg zum großen Projekt ist eine der Zwischenstationen der Modellbau, um sich ein Bild vom endgültigen Ergebnis zu verschaffen. Wenn das Modell auch noch zum Spielen gebracht werden kann – umso besser!

Tatsächlich soll in einer der nächsten Ausgaben mal wieder ein Hornlautsprecher vorgestellt werden, der gewisse Ausmaße haben darf – bei der Bestandsaufnahme dazu habe ich ein bisschen mit herumliegendem Zeug gespielt und mir quasi ein großes Reflexgehäuse mit eben solchem Aufsatzhorn vorgestellt. Die hier gezeigte Kombination hat mir beim Betrachten irgendwie zugeflüstert: „Mach was mit mir“! Ok, ein ähnliches „Vorgängermodell“ hat es ja schon gegeben: Cheap Trick 327, eine schlanke Standbox mit dem Visaton W 130 S hat bei diversen Vorführungen durchaus überzeugt, schauen wir doch mal, ob es noch ein bisschen kompakter geht.  

Technik

 
Der W100S ist ein universell einsetzbares und für seinen Preis technisch einwandfreies Chassis. Ein Zugeständnis an die geringen Kosten ist der Stahlblechkorb, der aber so clever gefalzt ist, dass er sehr stabil und optisch auch recht massiv wirkt.

Eine beschichtete Papiermembran gehört ebenso zur Ausstattung wie eine alterungsbeständige Gummisicke und eine stabile 20-Millimeter-Schwingspule. Charakteristisch für alle Chassis der Visaton- W-Serie sind die fünf Schraublöcher, die für den Halt in der Schallwand  sorgen. Messtechnisch gibt der W100S keinerlei Anlass zur Beanstandung – wenn man keine Wunder von ihm erwartet. Die 95-Dezibel-Klirrmessung stellt nämlich auch das absolute Ende der Fahnenstange für den kleinen Treiber dar – die nicht progressive Aufhängung birgt hier schon die Gefahr des Anschlagens der Schwingspule an die Polplatte. Abgesehen von einem Knick im Frequenzgang im oberen Mitteltonbereich ist der Frequenzgangverlauf recht linear, weiter oben gibt es einige Resonanzen, die durch entsprechende Filterung leicht in den Griff zu bekommen sind. Das Wasserfalldiagramm zeigt wenige Störungen, ebenso die Impedanzkurve. Die Parameter weisen den kleinen Visaton als ideal geeigneten Bassreflextreiber aus, wenn auch eher in Gehäusen, die größer sind als die gut 5 Liter, die wir hier verwenden. Der FRS5X, eigentlich als Mini-Breitbänder konzipiert, überzeugt uns vor allem durch seine exzellenten Hochtonfähigkeiten und seine tiefe Ankoppelbarkeit. Hier setzen wir mit dem Hochtonvorsatz von Björn Kempf noch einen drauf: Angelehnt an das 8-Zoll-Waveguide von Dayton Audio hat der Konstrukteur noch ein paar Verbesserungen einfließen lassen, was den Übergang vom Treiber am Hals angeht. Die schnöde Isolierung des Treibers mit Panzerband ist dagegen von mir – bei einer reinen Verwendung als Hochtöner braucht der FRS5X nicht mehr. Die Messungen überzeugen vollauf: Ein typischer Hornfrequenzgang mit einem Pegel von 100 Dezibel ab 1 Kilohertz, darüber stetig fallend bis der Waveguide bei 5 Kilohertz nicht mehr lädt. Unter 30 Grad gibt es etwas Unruhe zwischen 8 und 10 Kilohertz, auf Achse zwischen 15 und 10 Kilohertz – nicht dramatisch. Nichts weniger als sensationell sind die Klirrwerte – bei 85 und 95 Dezibel klirrt die Kombination gar nicht, bei 105 Dezibel sollte man die Trennung oberhalb von 2 Kilohertz ansetzen. Und da auch das Wasserfalldiagramm einwandfrei ist, gibt es eine dicke Empfehlung.  

Gehäuse

Der Visaton W 100 S mag ganz gerne auch ein bisschen größere Gehäuse, aber eine lineare Bassreflexabstimmung geht auch schon in den hier verwendeten 5 Litern, wie ja auch schon Cheap Trick 335 gezeigt hat. Einfache Kiste, abgerundete Kanten, auf 8 Zentimeter gekürztes BR30-Reflexrohr, eine halbe Matte Sonofil so im Gehäuse verteilt, dass Treiber und Rohr frei bleiben. Das Horn wird so auf der Oberseite aufgesetzt, dass der Hornmund zwei Zentimeter über die Schallwand hinausragt und mit dem Korbrand des Tieftöners abschließt. 

Frequenzweiche 

Der Tieftöner wird für eine kontrolliertere Abstimmung zunächst in seinem Impedanzanstieg mit einem RC-Glied linearisiert.

Danach sorgt ein Filter zweiter Ordnung für einen zunächst flach abfallenden Verlauf, bevor der W 100 S selbst für einen steilen Abfall sorgt. Der Hochtöner wird zunächst mit einem Spannungsteiler im Pegel angepasst, bevor er mit einem Filter dritter Ordnung an den Tieftöner angekoppelt wird. Das sorgt für eine saubere Übernahme bei rund 1,7 Kilohertz mit einer sauberen Phasenlage. Optional kann man zur weiteren Linearisierung des Impedanzverlaufs direkt vor der Weiche ein weiteres RC-Glied mit 22 µF und 6,8 Ohm zur Box parallel schalten. 

Messwerte

Wir erhalten in der Summe eine Box mit einem für die Größe beachtlich tiefen Bass mit einem sehr linearen Verlauf. Der Wirkungsgrad ist mit etwa 85 Dezibel an 2,83Volt ziemlich ordentlich. Wenn man ihn detailliert betrachtet, sieht der Hochtonbereich nach ganz oben recht unruhig aus – bertachtet man aber den Gesamtverlauf, dann haben wir schon ab 500 Hertz ein fast perfektes Constant-Directivity- Verhalten ohne Abweichungen unter Winkeln und eine damit gut dosierbare Einstellmöglichkeit des Hochtonbereichs über Einwinkeln der Boxen. In Sachen Klirr geht es bei 85 Dezibel sehr kontrolliert zu – bei 95 Dezibel hat der W 100 S so langsam etwas gegen zu viel Hub der kleinen Membran. Der Impedanzverlauf liegt komplett über 4 Ohm und kann wie oben beschrieben noch linearisiert werden.  

Hörtest 

Cheap Trick 339 darf und sollte näher an die Rückwand oder wirklich ins Regal. Frei aufgestellt reicht es zwar für eine immer noch beeindruckende und knackige Bassperformance, aber ein 10er Tieftöner fällt halt irgendwann dynamisch doch ein bisschen hinter den im Waveguide überragenden FRS5X zurück. Kurz vor oder in meiner Schallplattenschrankwand fühlte sich die kleine Hornbox dann sofort pudelwohl: Wand im Rücken, tieferer Bass und etwas mehr Wucht – und es kommt tatsächlich etwas Hornfeeling auf, auch, weil der FRS5X im Waveguide hier so tief getrennt ist wie vorher in keinem anderen Projekt. Der W 100 S läuft linear vom Bass in einen neutralen Mitteltonbereich, der dem famosen Hochtonbereich des Waveguides in nichts nachsteht. Den Charakter der Box kann man durch Einwinkeln von neutral bis britisch gut einstellen – in allen Winkeln bleibt die Neutralität und Präzision der dynamischen Box erhalten.  

Aufbauanleitung 

Auf einer Seitenplatte liegend werden nacheinander Front, Deckel, Boden und Rückwand aufgeleimt. Abschließend wird die zweite Seitenwand angebracht. Nun werden die Löcher für das Chassis, die Bassreflexöffnung und das Terminal gesägt. Dabei sollte das Chassis optimalerweise in die Schallwand eingefräst werden, um Reflexionen am Korbrand zu vermeiden. Die senkrechten Kanten haben wir mit einem Viertelstabfräser abgerundet. Die Bedämpfung besteht aus einer halben Matte Sonofil oberhalb und hinter dem Treiber, die durch den Tieftönerausschnitt eingebracht wird. Zwischen Chassis und Reflexrohr sollte möglichst keine Bedämpfung liegen, ein um das Reflexrohr herumgelegter Rest Sonofil linearisiert den Mitteltonbereich.   

Holzliste 

Material: 18-mmMultiplex 

1 x 24,0 x 14,0 Front, Rückwand 
2 x 18,4 x 14,0 Deckel und Boden
2 x 24,0 x 22,0 Seitenwände   

Zubehör pro Box

 

 Dämmstoff: Sonofil, halbe Matte 
 1 Terminal 
 1 Reflexrohr BR30 auf 8 Zentimeter gekürzt 
 Schrauben 
 Kabel 1m 2 x1,5 
 Dichtstreifen 

Lieferant: Visaton    

Weichenbestückung

 

L1: 0,82 mH Luftspule 1,0 mm 
L2: 0,47 mH Luftspule, 0,7 mm 
C1: 27 µF MKT 
C2: 33 µF MKT 
C3: 3,9 µF MKP 
R1: 4,7 Ohm MOX 10W 
R2: 5,6 Ohm MOX 10W
R3: 10 Ohm MOX 10W  

Fazit